Entscheidungsstichwort (Thema)
Ansprüche gegen Vollkaskoversicherer bei Verdacht eines absichtlich herbeigeführten "Unfalls"
Normenkette
ZPO § 286 Abs. 1 S. 1, § 529 Abs. 1 Nr. 1, § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1; GG Art. 103 Abs. 1; GKG § 21 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 26.02.2016; Aktenzeichen 26 O 16765/15) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin vom 01.04.2016 wird das Endurteil des LG München I vom 26.02.2016 (Az. 26 O 16765/15) samt dem ihm zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG München I zurückverwiesen.
2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem LG München I vorbehalten. Gerichtsgebühren für die Berufungsinstanz, sowie gerichtliche Gebühren und Auslagen, die durch das aufgehobene Urteil verursacht worden sind, werden nicht erhoben.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Schadensersatz aus einem behaupteten Unfall im Straßenverkehr geltend, wobei sie fiktiv errechnete und verzinste Reparaturkosten von 11.726,63 EUR verlangt hat.
Zugrunde liegt ein behaupteter Zusammenstoß am 04.03.2015 gegen 20.30 Uhr wohl auf der Ortsverbindungsstraße zwischen G. und B. Die Klägerin will mit ihrem Pkw BMW 530d, amtliches Kennzeichen FFB -..., wegen einer plötzlichen Bewegung auf der Fahrbahn erschrocken sein und nach links auf die Gegenfahrbahn gelenkt haben. Dort sei sie mit dem von Frau K. gefahrenen Pkw Daimler Benz CL 500, amtliches Kennzeichen M -..., der Frau N. zusammengestoßen. Die Beklagte ist die Vollkaskoversicherung der Klägerin und lehnt eine Zahlung ab, im Wesentlichen weil ein absichtlich herbeigeführter "Unfall" vorliege. Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 26.02.2016 (Bl. 52/58 d.A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).
Das LG München I hat nach teilweiser Beweisaufnahme die Klage umfassend abgewiesen (EU 1, 42 = Bl. 52, 54 d.A.), weil die Klägerin einen vollkaskoversicherten Unfall mit den sich daraus ergebenden Schäden nicht habe beweisen können. Hinsichtlich der Erwägungen des LG wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 55/57 d.A.) des angefochtenen Urteils verwiesen.
Gegen dieses ihr am 02.03.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit beim Oberlandesgericht München am 01.04.2016 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt (Bl. 61 d.A.) und diese mit Schriftsatz vom 29.04.2016, eingegangen am gleichen Tag, fristgerecht begründet (Bl. 65/69 d.A.).
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, und - zuletzt nach Teilklagerücknahme (Bl. 73 d.A.) - die Beklagte zu einem seit 03.06.2015 verzinsten Schadensersatzbetrag von 11.426,63 EUR zu verurteilen (BB 1 = Bl. 65 d.A.).
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen (Bl. 77 d.A.).
Der Senat hat gemäß Beschluss vom 24.10.2016 mit Zustimmung der Parteien schriftlich entschieden, § 128 II ZPO; als Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, wurde der 08.11.2016 bestimmt (Bl. 100/101 d.A.). Die Klägerin hat ergänzend beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (Schriftsatz v. 13.10.2016, Bl. 96 d.A.).
Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die Hinweisverfügungen des Senatsvorsitzenden vom 13.06.2016 (Bl. 70/71 d.A.) und vom 07.09.2016 (Bl. 88/94 d.A.) Bezug genommen. Von weiterer Darstellung der Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313a I 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO).
B. Die statthafte, sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache jedenfalls vorläufig Erfolg.
I. Das LG hat entschieden, dass nach Teilklagerücknahme keinerlei Ansprüche der Klägerin auf Schadensersatz oder Leistungen der Fahrzeugvollversicherung bestünden, weil wegen der wenig glaubwürdigen Klägerin und der ebenso wenig glaubwürdigen weiteren Unfallbeteiligten keine Überzeugung gefasst werden könne, dass sich der behauptete Unfall wie geschildert ereignet und die geltend gemachten Reparaturschäden verursacht habe (EU 4/6 = Bl. 55/57 d.A.).
Diese Ergebnisse entbehren, einerseits aufgrund unrichtiger Anwendung sachlichen Rechts (§§ 513 I 1. Alt., 546 ZPO), andererseits aufgrund lückenhafter Sachverhaltsfeststellungen (§§ 513 I 2. Alt., 529 I Nr. 1 ZPO) einer überzeugenden Grundlage. Insbesondere wurde ohne zureichende Begründung die gebotene Beweiserhebung und Sachverhaltsermittlung unterlassen, sowie eine umfassende und sachgerechte Aufklärung des behaupteten Unfallgeschehens (s. Senat, Urt. v. 31.07.2015 - 10 U 4733/14 [juris, Rn. 18, m.w.N.]) für entbehrlich gehalten. Ergänzend wird auf die Hinweise des Senats vom 07.09.2016 (Bl. 88/94 d.A., Ziffer I) Bezug genommen.
1. Der Senat ist an die Feststellung der entscheidungserhebl...