Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungen, Berufung, Gesellschaft, Eintragung, Bescheid, Gesellschafter, Betreuung, Ausschluss, Haftung, Gesellschaftsvertrag, Handelsregister, Widerklage, Internet, Zahlung, Fortbildung des Rechts, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Zweck der Gesellschaft
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 29.04.2020; Aktenzeichen 8 HK O 12753/18) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 29.4.2020 (Az.: 8 HK O 12753/18) im Kostenpunkt und in Ziffer 1. aufgehoben.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Von den Kosten der ersten Instanz haben der Kläger 54% und der Beklagte 46% zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Das Verfahren betrifft den Ausschluss des Beklagten aus einer Personengesellschaft.
Die fragliche Gesellschaft besteht aus dem Kläger und dem Beklagten. Sie war nie ins Handelsregister eingetragen, ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag besteht nicht. Der Zweck der Gesellschaft besteht in der Vermietung eines angemieteten ehemaligen Naturfreundehauses ("K.") in den I.auen als Veranstaltungslokal für Events wie Seminare, Teambuildingmaßnahmen, Hochzeitsfeiern und ähnliches.
Zwischen den Gesellschaftern bestehen seit längerem Streitigkeiten. Am 13.9.2018 gründete der Beklagte (als Alleingesellschafter und -geschäftsführer) die P. GmbH, welche in unmittelbarer räumlicher Nähe zur "K." eine angemietete Blockhütte ("Cottage") betreibt und sie im Internet zur Anmietung als Eventlokal anbietet. Darüber hinaus werfen sich die Parteien wechselseitig eine Vielzahl von Pflichtverletzungen aus dem Gesellschaftsverhältnis vor.
Der Kläger ist der Auffassung, die Gesellschaft sei eine offene Handelsgesellschaft. Mit seiner Klage begehrte er erstinstanzlich den Ausschluss des Beklagten aus der Gesellschaft sowie die Zahlung von 4.793,48 EUR; die Zahlungsklage hat er erstinstanzlich wieder zurückgenommen. Der Beklagte machte widerklagend einen Anspruch auf Aufwendungsersatz geltend.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten aus der R. & M. OHG auszuschließen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen;
ferner hat er widerklagend beantragt,
den Kläger zu verurteilen, an den Beklagten 55.200,- EUR zu bezahlen.
Der Kläger hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils wird Bezug genommen. Der Beklagte nimmt die Abweisung der Widerklage hin. Mit seiner zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten Berufung wendet er sich aber gegen seinen Ausschluss aus der Gesellschaft. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Berufung.
B. Die Berufung hat Erfolg. Der Beklagte kann nicht durch Gerichtsurteil aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden.
I. Die als OHG firmierende Gesellschaft ist in Wahrheit eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts.
1. Eine Personengesellschaft, bei der kein Gesellschafter in der Haftung beschränkt ist, ist (ohne Eintragung ins Handelsregister) offene Handelsgesellschaft, wenn sie ein Handelsgewerbe betreibt (§ 105 HGB). Anderenfalls handelt es sich um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts.
Handelsgewerbe ist jedes Gewerbe, es sei denn, es erfordert keine kaufmännische Einrichtung (§ 1 Abs. 2 HGB). Die vorliegende Vermietung einer Lokalität zum Zwecke der Gewinnerzielung ist zweifellos ein Gewerbe. Damit wird vermutet, dass es sich um ein Handelsgewerbe handelt, so dass das Gegenteil zur Darlegungs- und Beweislast des Beklagten stand.
Nach der gesetzlichen Definition ist Handelsgewerbe ein Gewerbe, welches nach Art und Umfang eine kaufmännische Einrichtung erfordert. Dies ist auf der Basis einer Gesamtschau der den Betrieb kennzeichnenden Umstände zu beurteilen (BGH, Urteil vom 28.4.1960 - II ZR 239/58 Ls. 2; Urteil vom 16.11.1965 - V ZR 89/63, Rz. 13). Als zu berücksichtigende Kriterien nennt die erstere Entscheidung Beschäftigtenzahl, Tätigkeitsart, Umsatz, Anlagekapital, Betriebskapital, Leistungsvielfalt, Zahl der Geschäftsbeziehungen, Kreditaufnahme; in der zweitgenannten Entscheidung sind beispielhaft aufgeführt Umsatz, Verbindlichkeiten, Außenstände, Aktivvermögen. In der Kommentarliteratur (z.B. Kindler, in: Ebenroth / Boujong, HGB, 4. Aufl., § 1 Rz. 56 ff.) finden sich ähnliche Aufzählungen (Handelsbücher, Inventar- und Bilanzerrichtung, Aufbewahrung der Korrespondenz, Firmenführung, kaufmännisch vorgebildetes Personal, Lohnbuchhaltung, Vielfalt der Erzeugnisse und Leistungen, Teilnahme am Frachtverkehr, grenzüberschreitende Tätigkeit, Sach- und Personalkredite).
2. Hinsichtlich der somit fü...