Entscheidungsstichwort (Thema)

Ansprüche im Zusammenhang mit einem beendeten Kommissionsagenturverhältnis

 

Leitsatz (amtlich)

1. Betreibt der Kommissionsagent als rechtlich und wirtschaftlich selbständiger Unternehmer, jedoch auf Rechnung des Kommittenten Ladenflächen, die vom Kommittenten angemietet werden, wobei der Kommissionsagent das Personal zu stellen und den Laden zu vorgegebenen Öffnungszeiten offen zu halten, das Kassensystem des Kommittenten und dessen Warenwirtschaftssystem - bei vorgegebenen Preisen - zu benutzen sowie sämtliche Einnahmen auf ein Konto des Kommittenten einzuzahlen hat, während er im Gegenzug eine monatliche Fixvergütung nebst Umsatzbeteiligung erhält, liegt ein Kommissionsagenturverhältnis vor.

2. Einem Kommissionsagenten kann in entsprechender Anwendung des § 87c Abs. 2 HGB im Grundsatz ein Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs zustehen; gleiches gilt für den Handelsvertreterausgleich entsprechend § 89b HGB.

3. Der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges wird nicht dadurch verwirkt, dass der Kommissionsagent die Provisionsabrechnungen in der Vergangenheit nicht beanstandet hat.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 275; HGB §§ 84, 87c Abs. 2, §§ 89b, 383, 384 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 23.12.2016; Aktenzeichen 10 O 16326/14)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 23.12.2016 (10 O 16326/14) in Ziffer 2 aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das Landgericht zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

4. Die Beklagte wird auf Klagantrag 3 a hin verurteilt, dem Kläger in kontrollfähiger Form Auskunft zu erteilen über diejenigen dem Kläger zugeflossenen Provisionen, die im letzten Vertragsjahr mit Mehrfachkunden erzielt wurden. Der weitergehende Klagantrag 3 a wird abgewiesen.

5. Dieses Urteil und das angegriffene Urteil, soweit es noch Bestand hat, sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,- EUR abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

6. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

A. Die Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit einem beendeten Vertriebsverhältnis.

Der Kläger betrieb auf der Grundlage jeweils gesonderter Verträge für die Beklagte insgesamt sieben Geschäfte, in denen Mode der Marke der Beklagten veräußert wurde, in den sieben aus dem Tenor des landgerichtlichen Urteils ersichtlichen Outlet Centern. Der erste dieser Verträge (Anlage K 1) betreffend den Laden im Outlet Center I. Village datiert vom Oktober 2010; die nachfolgenden Verträge (Anlagenkonvolut K 10) sind im wesentlichen gleichlautend.

Hiernach sollte der Kläger als rechtlich und wirtschaftlich selbständiger Unternehmer, jedoch auf Rechnung der Beklagten die Ladenflächen betreiben, die von der Beklagten angemietet worden waren; der Kläger sollte insoweit auch nicht Untervermieter der Beklagten sein.

Als Vergütung für den Kläger waren eine Fixvergütung von 1.000,- EUR monatlich je Laden sowie eine 17prozentige Umsatzbeteiligung vorgesehen; außerdem erhielt der Kläger eine Pauschale von 60,- EUR je Monat und Laden für Büro- und Lagerkosten.

Im Gegenzug hatte der Kläger das Personal zu stellen und den Laden zu den vom jeweiligen Outlet Center vorgegebenen Öffnungszeiten offen zu halten. Die von der Beklagten vorgegebenen Kaufpreise durfte er nur mit Zustimmung der Beklagten ändern. Er hatte das Kassensystem der Beklagten und deren Warenwirtschaftssystem zu benutzen. Die Bareinnahmen hatte er auf ein Konto der Beklagten einzuzahlen. Die Kartenzahlungen liefen direkt auf ein Konto der Beklagten.

Hinsichtlich der Details der vertraglichen Regelungen wird auf die Anlagen K 1 und K 10 Bezug genommen.

Die Beklagte kündigte die genannten Betreiberverträge ordentlich; zwei der Verträge endeten hiernach zum 28.2.2014, die übrigen zum 31.5.2014.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Erteilung eines Buchauszugs und nachfolgend weitere Provisionszahlung (Stufenklage), die Zahlung eines Handelsvertreterausgleichs sowie die Erstattung vorgerichtlicher Kosten. Die Beklagte begehrt widerklagend die Erstattung vorgerichtlicher Kosten.

Der Kläger hat beantragt,

1. Als Hauptantrag: a) Die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger einen Buchauszug für alle vom dem Kläger für die Beklagten vermittelten Geschäfte im Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Mai 2014, sowie über eventuell danach fällig werdende Provisionen zu erteilen; b) über die sich aus dem Buchauszug ergebenden und bislang nicht abgerechneten Provisionen eine Provisionsabrechnung zu erteilen; c) an die Klägerin den sich aus der Provisionsabrechnung ergebenden Provisionsbetrag samt Fälligkeitszins in Höhe von 5 Prozent sowie Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hierauf zu zahlen.

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