Entscheidungsstichwort (Thema)

Schöpferischer Beitrag zur Begründung einer Miterfinderschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Derjenige Miterfinder bzw. sein Rechtsnachfolger, dessen Beitrag zu einer technischen Lehre durch einen nach Art. 60 Abs. 1 EPÜ (nicht alleinberechtigten) Anmelder zu einem europäischen Patent angemeldet worden ist, kann von diesem Anmelder die Einräumung einer Mitberechtigung nebst Zustimmung zu einer entsprechenden Registerumschreibung verlangen.

2. Voraussetzung hierfür ist ein schöpferischer Beitrag zu der angemeldeten technischen Lehre, der über die bloß handwerkliche und konstruktive Umsetzung der Weisungen des Erfinders (oder eines Dritten) hinausgehend den Gesamterfolg beeinflusst hat.

3. Nicht genügend ist hierfür ein Beitrag, der für die Lösung des technischen Problems ohne jeden Belang ist und keinen Niederschlag im Gegenstand der Anmeldung gefunden hat.

4. Zur Bestimmung eines schöpferischen Beitrages ist nicht nur auf die im Erteilungsverfahren unter Ausschöpfung des gesamten Offenbarungsgehalts der Anmeldung noch änderbare Fassung der Ansprüche abzustellen. Vielmehr ist die Erfindung als Ganzes in den Blick zu nehmen und zu prüfen, inwieweit eine (prätendiert schöpferische) Leistung zum Zustandekommen der Erfindung beigetragen hat.

 

Normenkette

EPÜ Art. 60 II § 5 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 16.06.2016; Aktenzeichen 21 O 19141/14)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 04.08.2020; Aktenzeichen X ZR 38/19)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 16. Juni 2016, Az. 21 O 19141/14, abgeändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Rechte an einer Erfindung betreffend eine Herzklappenprothese.

Die Klägerin ist ein im Jahr 2006 von dem Herzchirurgen Dr. A. Q. gegründetes, in Kalifornien, USA, ansässiges Unternehmen der Medizintechnik. Bis 2008 war sie vornehmlich mit der Entwicklung eines Systems zum Ersatz von Aortenklappen befasst. Ab August 2008 begann sie mit Arbeiten an einer katheterisierbaren, d.h. minimalinvasiv applizierbaren Bioprothese zum Ersatz der Mitralklappe des Herzens. Ihre Produkte bestehen aus einem zusammendrückbaren Metallrahmen, in den eine künstliche Klappe, etwa aus biologischem Gewebe, eingenäht ist. Derartige Mitralklappenprothesen konnten nach ihren Angaben erstmals im Jahr 2012 erfolgreich einem Menschen implantiert werden.

Die im Jahr 2008 gegründete Muttergesellschaft der Beklagten, die N. Inc., befasst sich mit der Entwicklung und Herstellung von Medizinprodukten, insbesondere von speziellen Einzelkomponenten für den kardiovaskulären Bereich. Nach ihrer Selbstdarstellung (vgl. Unternehmenspräsentation nach Anlage HE 11, Stand: April 2009) ist ihre Abteilung "N. Surgical Products" primär mit der Bereitstellung von (bovinem, equinem und porcinem) biologischem Pericardmaterial zum Einbau etwa in Aorten- und Mitralklappen befasst; über ihr Konstruktions- und Fertigungsteam bietet sie ihren Abnehmern - vornehmlich Unternehmen, die Herzklappen zur minimalinvasiven Applikation produzieren - auch Dienstleistungen wie Klappendesign, Stentkonfiguration, Zuschnitt und Nähen des Herzmuskelgewebes oder Entwicklung minimalinvasiver Einführsysteme an. Mit EMail vom 04. Juni 2009 stellte die N. der Klägerin ihre Abteilung "N. Surgical Products" als Anbieter derartiger Gewebe und Dienstleistungen vor (Anlage HE 10, deutsche Übersetzung HE 10a). Noch am 04. Juni 2009 schlossen beide eine Geheimhaltungsvereinbarung (Anlage HE 12, 12a), die Klägerin betraute die Beklagte damit, ihre (den metallenen "Korpus" von Mitralklappen bildenden) Rahmen mit biologischen Klappen auszustatten. Zu diesem Behufe übermittelte die Klägerin der N. mit E-Mail vom 05. Juni 2009 (HE 13, HE 13a) verschiedene Konstruktionsunterlagen für zwei von ihr entwickelte, als "Origami-Klappen-Konzept" bezeichnete Prototypen von Mitralklappenprothesen-Rahmen, nämlich für die als Rev. B und Rev. C bezeichneten Modelle (vgl. Photographien LGU S. 6), samt deren Schnittmustern für die Herstellung der entsprechenden Rahmen (HE 13, 13a, erstes Blatt). Mit E-Mail vom 12. Oktober 2009 (Anlagen HE 14, 14a) informierte die Klägerin die Beklagte über beabsichtigte Modifikationen und kündigte für Anfang November 2009 erste Prototypen für überarbeitete RahmenVersionen (Modelle Rev. C und Rev. D) an, verbunden mit verschiedenen Fragen zur Dimensionierung des Rahmens (Höhe zu Durchmesser in entfaltetem Zustand) sowie zur Dehnung des (mit dem Rahmen zu verbindenden) Gewebes und zur Fixierung des Gewebes an der Klappe. Unter dem Betreff "Stent / Käfig CAD-Datei" schickte B. R. der...

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