Leitsatz (amtlich)

Schadensersatz, Berufung, Fahrzeug, Sittenwidrigkeit, Bescheid, Widerruf, Offenbarung, Zulassung, Verletzung, Darlegungslast, Gesellschaft, Software, Zeitpunkt, Haftung, Zug um Zug, Vermeidung von Wiederholungen, Widerruf der Zulassung

 

Verfahrensgang

LG Ingolstadt (Urteil vom 27.02.2020; Aktenzeichen 72 O 2292/18)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 17.11.2022; Aktenzeichen VII ZR 623/21)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des LG Ingolstadt vom 27.02.2020 (72 O 2292/18) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 15.076,06 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.01.2019 Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs A. TDI mit der Fahrgestellnummer ... zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 56% und die Beklagte 44%.

4. Das Urteil ist jeweils vorläufig vollstreckbar, für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 1.500,00 abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Berufungsrechtsstreits tragen der Kläger 47% und die Beklagte 53%.

IV. Das in Ziffer I. genannte Urteil des Landgerichts Ingolstadt und dieses Urteil sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung der jeweiligen Gegenpartei jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

V. Die Revision wird zugelassen, soweit die Haftung der Beklagten dem Grunde nach vom Senat bejaht wurde.

 

Gründe

A Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche des Klägers im Rahmen des sogenannten Dieselskandals hinsichtlich eines in einen A. TDI verbauten Motors des Typs EA 189.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Feststellungen im Endurteil des LG Ingolstadt vom 27.02.2020 (Bl. 302/317 d. A.), berichtigt durch Beschluss vom 06.05.2020 (Bl. 321/322 d. A.) mit folgenden Änderungen und Ergänzungen verwiesen.

Die Beklagte unterliegt einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag gegenüber der V. AG.

Das Fahrzeug des Klägers wurde erstmalig am 27.08.2012 zugelassen und vom Kläger mit Vertrag vom 19.11.2013 mit einem Km-Stand von 25.350,00 für EUR 33.480,00 gebraucht gekauft.

Die Klage wurde am 20.12. 2018 anhängig, ihre Zustellung erfolgte am 23.01.2019.

Das LG Ingolstadt verurteilte die Beklagte im Endurteil vom 27.02.2020 zur Zahlung von EUR 19.955,06 nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs und wies im Übrigen die weitergehende Klage ab.

Die Berufung des Klägers nahm dieser mit Schriftsatz vom 26.08.2020 (Bl. 428 d. A.) zurück.

Die Beklagte beantragt mit ihrer Berufung,

das am 27.02.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Ingolstadt, 72 O 2292/18 im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beklagte behauptet neu in der Berufungsinstanz, sie habe die EA 189-Motoren von der Konzernmutter V. AG übernommen und ohne eigene Überprüfung in ihre Fahrzeuge eingebaut.

Hinsichtlich des übrigen Vortrags der Parteien im Berufungsrechtsstreit wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Mit Beschluss des Gerichts vom 19.04.2021 wurde beiden Parteien Schriftsatzfrist bis jeweils einschließlich 10.05.2021 gewährt, der Beklagtenseite zu den Hinweisen des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 19.04.2021, der Klägerseite zu den Hinweisen des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 19.04.2021 sowie zur Erklärung des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung vom 19.04.2021.

Am 10.05.2021 ging ein Schriftsatz des Klägervertreters ein, auf den verwiesen wird.

Die Schriftsatzfrist zugunsten der Beklagtenseite wurde auf deren Antrag hin mit Verfügung 06.05.2021 bis einschließlich 14.05.2021 verlängert. An diesem Tag ging ein Schriftsatz der Beklagten ein, auf den verwiesen wird.

B Die zulässige Berufung (§§ 511, 517, 520 ZPO) der Beklagten hat nur zum geringen Teil Erfolg:

I. Der Kläger hat einen Anspruch auf Schadensersatz wegen sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB):

1. Der Einbau eines Motors vom Typ EA 189 mit einer entsprechenden Umschaltlogik in einer Abschaltsoftware, die bei Erkennen des Durchfahrens eines Prüfstandzyklusses in einen anderen Abgasmodus umschaltet, bei dem die NOx-Grenzwerte eingehalten werden, erfüllt grundsätzlich den Tatbestand der sittenwidrigen Schädigung, wenn diese Grenzwerte im normalen "Straßenabgasmodus" nicht eingehalten werden (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, WM 2020, 1078, 1079, Randziffer 13).

2. Vorsatz und...

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