Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung des Mindestschadens bei anwaltlicher Honorarabrechnung
Leitsatz (amtlich)
I. Ist ein Vorstand zum Schadensersatz gegenüber seiner Gesellschaft verpflichtet, muss er, sofern es sich um Rechtsanwaltskosten handelt, auch angemessene Vergütungen aus Honorarvereinbarungen entrichten, wenn in dem konkreten Streitfall eine Abrechnung nach RVG nicht üblich ist.
II. Eine pauschale Schätzung nach § 287 ZPO ist allerdings unzulässig. Zur Berechnung des (Mindest-) Schadens müssen sich aus der zugrunde liegenden anwaltlichen Honorarabrechnung die Positionen eindeutig ergeben, die auf das Verhalten des Schädigers zurückzuführen sind. Eine Schätzung nach § 287 ZPO ist darüber hinaus nur in engen Grenzen zulässig.
Normenkette
AktG § 93 Abs. 1; ZPO § 287
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 30.12.2009; Aktenzeichen 5 HKO 22320/08) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des LG München I vom 30.12.2009 dahingehend abgeändert, dass der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 39.562,14 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 1.3.2008 zu bezahlen.
II. Im Übrigen werden die Berufung des Beklagten zurück- und die Klage abgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen die Klägerin zu 79 % und der Beklagte zu 21 %.
Die Kosten der Streithilfe erster Instanz trägt der Beklagte zu 50 %. Die Kosten der Streithilfe zweiter Instanz trägt der Beklagte zu 21 %. Im Übrigen tragen die Streithelfer ihre Kosten selbst.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung jeweils i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Gemäß § 540 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen, soweit sich aus den nachfolgenden Ausführungen nichts anderes ergibt.
Die Parteien streiten um das Bestehen von Schadensersatzansprüchen wegen des Vorwurfs von Pflichtverletzungen aus der Tätigkeit des Beklagten als Vorstand bei der Klägerin in der Zeit vom 22.7.2005 bis 12.7.2007.
Der Vorwurf richtet sich gegen den Beklagten wegen des pflichtwidrigen Erwerbs von Aktien aufgrund des Beschlusses der Hauptversammlung vom 24.10.2005, die der Beklagte erwarb, ohne die Zustimmung des Aufsichtsrats einzuholen oder diesen über den Erwerb zu informieren.
Die Klägerin beauftragte die Kanzlei P., R. und S. mit der Erstellung eines Gutachtens zur Beurteilung der im Zusammenhang mit dem Erwerb der eigenen Aktien anstehenden Fragen. Die Rechtsanwaltskanzlei stellte der Klägerin mit Kostennote vom 6.9.2007 (Anlage K7) einen Betrag von 21.000 EUR netto zzgl. 19 % Umsatzsteuer in Rechnung, wobei diese Rechnung auch die Tätigkeit für ein weiteres - nicht streitgegenständliches - Gutachten dieser Anwaltskanzlei in Bezug auf den Erwerb der PI-Aktien und zu einem Optionsvertrag mit T. umfasste.
Weiter warf die Klägerin dem Beklagten vor, in der Einberufung zur Hauptversammlung vom 12.7.2007 mit der Vorbereitung zur Beschlussfassung zu Tagesordnungspunkt (TOP) 7 einen Pflichtenverstoß begangen zu haben. Darin ging es um die Ermächtigung zum Erwerb von Aktien der PI P. Immobilien AG nach § 119 Abs. 2 AktG. Der Vorstand schlug danach vor, mit Zustimmung des Aufsichtsrats zu beschließen:
"Der Vorstand wird ermächtigt, Aktien der PI P. Immobilien AG zu einem Kaufpreis von bis zu 1.600.000 EUR zu erwerben. Die Ermächtigung ist nicht befristet; sie gilt, bis von der Hauptversammlung etwas anderes beschlossen wird."
Die Hauptversammlung fasste den Beschluss zu TOP 7 entsprechend dem Beschlussvorschlag der Verwaltung und zu TOP 2 folgenden weiteren Beschluss:
"Den Mitgliedern des Vorstands wird Entlastung erteilt."
Mehrere Aktionäre der Klägerin erhoben gegen die Beschlüsse zu TOP 2 und TOP 7 Anfechtungsklage zum LG München I (Az.: 5 HKO 14581/07). Mit rechtskräftigem Endurteil vom 4.10.2007 (Anlage K8) erklärte das LG München I die zu TOP 2 und TOP 7 gefassten Beschlüsse der Hauptversammlung vom 12.7.2007 der hiesigen Klägerin für nichtig; die hiesige Klägerin und dortige Beklagte trug die Kosten des Rechtsstreits. Die hiesige Klägerin verzichtete ebenso wie die damaligen Kläger auf Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittel hinsichtlich dieses Endurteils.
In dem Anfechtungsverfahren hat die Klägerin die Rechtsanwaltskanzlei Norton R. auf der Basis einer Honorarvereinbarung mandatiert. Ihre damaligen Prozessbevollmächtigten stellten der Klägerin insgesamt einen Betrag von 29.540 EUR zzgl. 19 % Mehrwertsteuer, somit 35.152,60 EUR in Rechnung (Anlage K18).
Das LG München I verurteilte den Beklagten antragsgemäß zum begehrten Schadensersatz i.H.v. 78.291,64 EUR nebst Zinsen.
Das Erstgericht führt aus, der Beklagte sei zum Schadensersatz nach § 93 A...