Entscheidungsstichwort (Thema)

Coronavirus, SARS-CoV-2, Gesellschafterversammlung, Schadensersatz, Berufung, Gesellschaft, Gesellschafter, Frist, Verfahren, Zeitpunkt, Berechnung, Versammlung, Versammlungsort, Ausschluss, Genehmigung, Anfechtung, Aufgabe zur Post, zwei Wochen

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 26.03.2021; Aktenzeichen 10 HK O 5766/20)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 26.03.2021, Az. 10 HK O 5766/20, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses Urteil sowie das in Ziff. 1 genannte Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von auf einer Gesellschafterversammlung der Beklagten am 27.04.2020 gefassten Beschlüssen (in der Berufung mit Ausnahme des Beschlusses unter Top 9 über die Ausschließung des Klägers aus der Gesellschaft).

Der Kläger und Frau C. P. waren im Zeitpunkt der Gesellschafterversammlung (und sind immer noch) Gesellschafter der Beklagten zu 1/2. Der Kläger war jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Gesellschafterversammlung Geschäftsführer der Beklagten; seit 23.07.2019 ist Frau A. R. weitere Geschäftsführerin der Beklagten. Beide Geschäftsführer haben im Außenverhältnis Einzelvertretungsbefugnis.

Die Satzung der Beklagten (in ihrer Fassung ab 2016) statuiert M. als Sitz der Beklagten (§ 2 der Satzung, Anlage A3) und enthält zu Gesellschafterversammlungen in §§ 10f. folgende Regelungen:

"§ 10 Gesellschafterversammlungen

1. ...

2. Die Einberufung erfolgt durch eingeschriebenen Brief an jeden Gesellschafter unter Angabe von Ort, Tag, Zeit und Tagesordnung mit einer Frist von vier Wochen bei ordentlichen Gesellschafterversammlungen und von mindestens zwei Wochen bei außerordentlichen Gesellschafterversammlungen. Der Lauf der Frist beginnt mit dem der Aufgabe zur Post folgenden Tag. Der Tag der Versammlung wird bei der Berechnung der Frist nicht mitgezählt.

3. Eine Gesellschafterversammlung ist nur beschlußfähig, wenn mindestens 50% des Stammkapitals vertreten sind. Sind weniger als 50% des Stammkapitals vertreten, ist unter Beachtung von Abs. 2 unverzüglich eine neue Gesellschafterversammlung mit Tagesordnung einzuberufen. Diese ist ohne Rücksicht auf das vertretene Stammkapital beschlussfähig, falls hierauf in der Einberufung hingewiesen wird.

4. Sind sämtliche Gesellschafter anwesend oder vertreten und mit der Beschlußfassung einverstanden, so können Beschlüsse auch dann gefaßt werden, wenn die für die Einberufung und Ankündigung geltenden gesetzlichen oder gesellschaftsvertraglichen Vorschriften nicht eingehalten worden sind.

§ 11 Gesellschafterbeschlüsse

1. Die Beschlüsse der Gesellschafter werden in Versammlungen gefasst. Außerhalb von Versammlungen können sie, soweit nicht zwingendes Recht eine andere Form vorschreibt, durch schriftliche, fernmündliche, telegrafische oder mündliche, auch fernmündliche Abstimmung gefaßt werden, wenn sich jeder Gesellschafter an der Abstimmung beteiligt.

2. ...

3. Gesellschafterbeschlüsse werden mit 80% der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit nicht ein Gesetz oder Gesellschaftsvertrag eine größere Mehrheit vorgesehen [sic]. Je DM 100,00 eines Geschäftsanteils gewähren eine Stimme."

Die Geschäftsführerin R. lud mit Schreiben von Gründonnerstag, den 09.04.2020 (Anlage A7) zu einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung am 27.04.2020 in den Räumen von KMO in Frankfurt ein. In den für die Gesellschafterversammlung vorgesehenen Räumlichkeiten befindet sich die Rechtsanwaltskanzlei des Vaters (H. K.) der Mitgesellschafterin des Klägers. In der Einladung waren die Tagesordnungspunkte 1-7, darunter die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer aus wichtigem Grund, angegeben. Die Einladung erreichte den Kläger am 14.04.2020. Mit auf den 09.04.2020 datiertem Schreiben, das in Wirklichkeit vom 21.04.2020 stammt und dem Kläger per E-Mail (Anlage 10a) an diesem Tag übersandt wurde, wurde die Tagesordnung um die Tagesordnungspunkte 8-14, darunter die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Kläger (TOP 8) und seine Ausschließung aus der Gesellschaft wegen pflichtwidriger und gesellschaftsschädigender Handlungen (TOP 9), ergänzt. Der Kläger rügte mit Schreiben vom 16.04.2020, 22.04.2020 und 24.04.2020 den Versammlungsort F. (Anlagen A 8, A 10, A 11), in den Schreiben vom 16.04.2020 und vom 24.04.2020 (dort durch Bezugnahme auf bereits erhobene Rügen) auch die Nichteinhaltung der Frist. Die Gesellschafterversammlung fand sodann, wie angekündigt, in F. statt. An dieser Gesellschafterversammlung nahm - neben Herrn K. als Vertreter der Gesellschafterin P. und Frau R. als Geschäftsführerin - als Vertreter des Klägers Herr Rechtsanwalt M. S. teil, der die...

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