Leitsatz (amtlich)

1. Stillschweigender Abschluss eines Auskunftsvertrags durch einen Steuerberater mit einem Mandanten, mit dem kein Dauerberatungsvertrag besteht.

2. Im Rahmen seiner vertraglichen Nebenpflichten hat ein Steuerberater seinen Mandanten vor Schaden zu bewahren. Er hat ihn auch außerhalb seines Auftrags auf steuerliche Fehlentscheidungen hinzuweisen, wenn diese für einen durchschnittlichen Berater auf den ersten Blick ersichtlich sind oder er aufgrund seines persönlichen Wissens die Sach- und Rechtslage positiv kennt.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 611, 675

 

Verfahrensgang

LG München II (Aktenzeichen 5 O 981/00)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 26.06.2003; Aktenzeichen V ZR 441/02)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des LG München II, 5. Zivilkammer vom 2.2.2001 aufgehoben.

II. Der Anspruch der der Klägerin gegen den Beklagten auf Ersatz des Schadens, welcher der Klägerin durch das Unterlassen des Beklagten, die Klägerin im Jahr 1994 zur Steuerersparnis auf die Möglichkeit einer Übertragung der Kommanditanteile durch ihre Gesellschafter hinzuweisen, entstanden ist, ist dem Grunde nach berechtigt.

III. Der Rechtsstreit wird zur Verhandlung und Entscheidung über die Höhe des Anspruchs, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das LG München II zurückverwiesen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt Schadensersatz wegen angeblicher Schlechterfüllung einer Steuerberatung.

I. Die Klägerin firmierte unter der Bezeichnung R. GmbH & Co. KG. In Folge eines Verschmelzungsvertrages vom 26.8.1998 ging hieraus die Klägerin mit ihrer jetzigen Firmierung hervor. Die Änderung wurde am 9.3.1999 in das Handelsregister eingetragen.

Der Beklagte, von Beruf Steuerberater, war für die R. GmbH & Co. KG ab 1992 tätig. Der Umfang der Tätigkeiten ist zwischen den Parteien streitig. Unstreitig war der Beklagte beauftragt, die Buchhaltung sowie Jahresabschlüsse und Jahressteuererklärungen anzufertigen.

In den Jahren 1994 bis 1996 wurden die Geschäftsführer der GmbH, die gleichzeitig auch Kommanditisten der GmbH & Co. KG waren, von der GmbH & Co. KG für ihre Tätigkeit vergütet. Diese Vergütungen wurden zunächst direkt von der R. GmbH & Co. KG ausbezahlt, später in der Weise, dass die Vergütungen von einem Konto der Komplementär-GmbH ausbezahlt und von der KG an die Komplementär-GmbH erstattet wurden. Im Rahmen der Betriebsprüfung 1998 wurde die Buchung beanstandet, weil sie unter Verstoß gegen § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG zu Lasten des Gewinns erfolgt sei. Das hatte zur Folge, dass die Geschäftsführergehälter nun gem. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG dem Gewerbeertrag hinzugerechnet wurden.

II. Die Klägerin hat im 1. Rechtszug vorgebracht, der Beklagte sei bis Ende 1996 umfassend beratend für sie tätig gewesen. Er habe seine Beratungspflicht verletzt, indem er es versäumt habe, auf die Möglichkeiten hinzuweisen, die Rechtswirkungen des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG auf rechtmäßige Weise zu vermeiden, etwa durch Umgestaltung der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse. Da eine solche Umgestaltung auch vorgenommen worden wäre, sei ihr, der Klägerin, in den Jahren 1994 bis 1996 ein steuerlicher Schaden von insgesamt 178.089,60 DM entstanden. Dieser sei dadurch entstanden, dass statt eines gewerbesteuerlichen Verlustes nun ein Gewinn der Gewerbesteuerveranlagung zugrunde gelegt worden sei.

Die Klägerin hat in 1. Instanz beantragt, den Beklagten zu verurteilen, 178.089,60 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit 9.10.1998 zu zahlen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Er hat vorgebracht, dass die Anfertigung der Jahresabschlüsse und Steuererklärungen jeweils jährlich neu in Auftrag gegeben worden sei. Beratungsleistungen seien vereinzelt in Auftrag gegeben worden, nicht etwa habe ein umfassender Beratungsvertrag bestanden. Den letzten Jahresabschluss samt Steuererklärungen habe er für die Klägerin für das Jahr 1994 gefertigt. Es sei nicht seine Aufgabe gewesen, auf steuerliche Gestaltungen hinzuweisen, die gesellschaftsrechtliche Änderungen zur Voraussetzung gehabt hätten, zumal da eine Umgestaltung der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse zwischen 1994 und 1996 wegen Differenzen der Gesellschafter untereinander gar nicht möglich gewesen sei.

Das LG hat mit Endurteil vom 2.2.2001 die Klage abgewiesen.

Es hat im Wesentlichen ausgeführt, es sei kein Beratungsauftrag vorgetragen worden, die gesellschaftlichen Verhältnisse steuerrechtlich zu überprüfen. Eine umfassende steuerliche Vertretung Dritten ggü. impliziere keine umfassende Beratungsverpflichtung des Steuerberaters, die sich auf gesellschaftsrechtliche Belange erstrecke. Für den Beklagten habe auch keine entspr. Nebenpflicht bestanden. In der Regel seien keine Hinweise durch den Steuerberater bei vorgefundenen Gestaltungen veranlasst, die auf unternehmerischen Entscheidungen beruhten. Der Umstand, dass das Geschäftsführergehalt nicht steuerlich als Betriebsausgabe abzugsfähig sei, sei kein Ausdruck daf...

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