Entscheidungsstichwort (Thema)
Telefonische Beratung durch Rechtsanwälte
Leitsatz (amtlich)
„Telefonische Rechtsberatung”
Bei der Auslegung einer Willenserklärung, die auf den Abschluß eines Rechtsberatungsvertrages gerichtet ist, kommt dem Kenntnisstand des Erklärenden, der vor allem durch Presseveröffentlichungen geprägt ist, maßgebliche Bedeutung zu.
Bei Anwahl einer Telefon-Hotline, die unmittelbar einen Sprechkontakt zu einem Rechtsanwalt herstellt, kommt daher zwischen Anrufer und Rechtsanwalt ein auf Rechtsberatung gerichteter Geschäftsbesorgungsvertrag zustande.
Der Hotline-Betreiber, der dafür die technischen Voraussetzungen schafft, wird weder Vertragspartner des Anrufers, noch besorgt er fremde Rechtsangelegenheiten.
Normenkette
BGB § 133; RBerG Art. 1 § 1 Abs. 1; BRAO §§ 43a, 43b, 49b
Verfahrensgang
LG München I (Entscheidung vom 14.05.1998; Aktenzeichen 7 O 6007/98) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Antragsgegnerinnen werden das Urteil des Landgerichts München I vom 14.05.1998 und die einstweilige Verfügung vom 02.04.1998 aufgehoben.
II. Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
III. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Antragsteller sind Mitglieder einer in München ansässigen Rechtsanwaltskanzlei. Die Antragsgegnerin zu 1) ist Inhaberin einer Telefonnummer, bei deren Anwahl Anrufer direkt durch die Telefonanlage an einen Rechtsanwalt weitergeschaltet werden, der, wie auch weitere Rechtsanwälte, mit der Antragsgegnerin zu 1) einen „Vertrag über die Nutzung der …-GmbH-Telefonnummer geschlossen hat. Mit diesem Vertrag erwirbt der jeweilige Anwalt die Möglichkeit, den Telefonanschluß für jeweils 3 1/2 Stunden zu buchen. Hierfür hat der Rechtsanwalt eine monatliche Teilnahmegebühr in Höhe von 50,– DM und weitere 50,– DM für eine 3 1/2-stündige Buchung des Telefonanschlusses zu bezahlen. Die Anrufer, die Rechtsrat suchen, bezahlen derzeit 3,63 DM je Gesprächsminute. Die geschuldete Vergütung wird mit der Telefonrechnung von der Deutschen Telekom AG eingezogen. Die Deutsche Telekom AG behält von den eingezogenen Telefongebühren 1,15 DM ein, der Restbetrag wird an die Antragsgegnerin zu 1) als Anschlußinhaberin weitergeleitet. Sie bezahlt den Geldbetrag nach Abzug der ihr von den Rechtsanwälten geschuldeten Vergütungen an diese aus.
Die Antragsgegnerin zu 2), die verschiedene „Computer-Hotlines” betreibt, unterstützt die Antragsgegnerin zu 1) publizistisch und dadurch, daß sie der Antragsgegnerin zu 1) ihr Firmenschlagwort InfoGenie zur Verfügung stellt. Der gemeinsame Geschäftsführer der Antragsgegnerinnen ist kein Rechtsanwalt. Sie verfügen auch über keine Genehmigung nach dem Rechtsberatungsgesetz.
Über die Möglichkeit, Rechtsberatung am Telefon zu erhalten, wurde in redaktionellen Beiträgen in Zeitschriften, so in der Ausgabe der Wirtschaftswoche Nr. 6 vom 29.01.1998, im Tagesspiegel und in einem wie eine Anzeige aufgemachten Beitrag im Fernsehmagazin „rtv” Nr. 10 vom 14.03.1998, das dem Münchner Merkur beilag, berichtet.
Der Beitrag in der Fernsehzeitschrift ist wie folgt gestaltet:
…
Die Antragsteller sahen durch das Verhalten der Antragsgegnerin zu 1) Artikel 1 § 1 RBerG verletzt, da sie eine Tätigkeit im Sinne dieser Vorschrift ausübe, ohne die dafür erforderliche Erlaubnis zu besitzen. Darüber hinaus verletze die Antragsgegnerin zu 1) die Vorschrift des § 1 UWG, weil die beratenden Rechtsanwälte durch sie ihnen gemäß § 43b BRAO verbotene Werbung betreiben ließen. Die Antragsgegnerin zu 2) fördere den Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz und die den Anwälten verbotene Werbung und verstoße deshalb selbst gegen § 1 UWG. Die angeschlossenen Rechtsanwälte verstießen zusätzlich gegen § 43a BRAO. Es sei ihnen nämlich nicht in hinreichendem Maße möglich zu prüfen, ob sie in ein und derselben Angelegenheit widerstreitende Interessen vertreten. Ein weiterer berufsrechtlicher Verstoß der Anwälte liege darin, daß die Einziehung ihrer Gebühren über die Deutsche Telekom erfolge. Diesem wettbewerbswidrigen Verhalten leiste die Antragsgegnerin zu 1) Vorschub.
Die Antragsteller erwirkten daher am 02.04.1998 eine einstweilige Verfügung gegen die Antragsgegnerinnen. Damit wurde der Antragsgegnerin zu 1) untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken fremde Rechtsangelegenheiten dadurch zu besorgen, daß sie eine Hotline betreibt, bei der Anrufern durch die der Hotline angeschlossenen Rechtsanwälte Rechtsrat erteilt wird. Der Antragsgegnerin zu 2) wurde untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken für die telefonische Erteilung von Rechtsrat durch Rechtsanwälte mit der in dem rtv-Fernsehmagazin erschienen Annonce zu werben.
Die Antragsgegnerinnen legten gegen die einstweilige Verfügung des Landgerichts München I Widerspruch ein. Sie meinten, das Landgericht München I sei für den Erlaß der einstweiligen Verfügung schon nicht örtlich zuständig gewesen, weil die Antragsteller nicht unmittelbar Verletzte seien. Im übrigen verstoße die tele...