Leitsatz (amtlich)
Das Befahren einer für den allgemeinen Skibetrieb freigegebenen Piste mit einem Motorschlitten schafft eine atypische Gefahr, für die Vorkehrungen zur Sicherheit der Skifahrer zu ergreifen sind.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1
Verfahrensgang
LG München II (Aktenzeichen 8 O 1028/01) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG München II vom 26.7.2001 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagten tragen die Kosten ihrer Berufung samtverbindlich.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten können die Vollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung i.H.v. jeweils 65.000 Euro abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert des Berufungsverfahren wird auf 59.473,47 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Der am 30.10.1987 geborene Kläger nimmt die Beklagten auf Ersatz seines Schadens aus dem Ski-Unfall vom 5.1.2000 in Anspruch.
Am Vormittag dieses Tages hatte er im Skigebiet X. bei Y. an einem Riesenslalom teilgenommen und hierbei den dritten Platz errungen. Nach Ende des Rennens und vor der Siegerehrung befuhr er noch mehrfach die Rennstrecke am S.-hang. Als er gegen 12.00 Uhr erneut die Rennstrecke hinunterfuhr, sie war zu diesem Zeitpunkt bereits für den allgemeinen Skibetrieb frei gegeben worden, prallte er auf der etwa 30 Meter breiten Piste von oben aus gesehen links im Abstand von 4 bis 5 Metern zum Pistenrand nach einer dort uneinsehbaren Hangkante auf einen vom Beklagten zu 1) gesteuerten und nicht mit akustischen und optischen Warneinrichtungen versehenen Motorschlitten der Beklagten zu 2). Diese betreibt die Skilifte im dortigen Skigebiet, ihre persönlich haftende Gesellschafterin ist die Beklagte zu 3) und sie beschäftigt den Beklagten zu 1) als Betriebselektriker in ihrem Betrieb.
Der Kläger erlitt ein schweres Schädelhirntrauma dritten Grades, komplexe Mittelgesichtsfrakturen mit einer Orbitabodenfraktur rechts, beidseitige Verletzungen des vorderen Großhirnbereichs sowie Prell- und Schürfwunden an den Beinen. Seine Kleidung und Ausrüstung wurden beschädigt und völlig unbrauchbar. Er wurde bewusstlos mit dem Hubschrauber in die Kinderchirurgie des S. Krankenhauses in München geflogen, dort am 14.1.2000 operiert und am 27.1.2000 wieder entlassen. Die Schule konnte er erst wieder ab dem 9.3.2000 besuchen. Als dauerhafte Folgen des Unfalls sieht er bei einem Aufblick ab 30 Grad rechts Doppelbilder, ist die Hebung des rechten Augenlids eingeschränkt, dessen Schluss asymetrisch und die Dysmetrie der Augenpartie deutlich sichtbar, hat er den Geruchssinn verloren und ist der Geschmackssinn erheblich eingeschränkt, erleidet er bei geistiger Beanspruchung Kopfschmerzen und Schwindel, treten bei ihm Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen auf und besteht durch die erhöhte neuronale Erregbarkeit die Gefahr einer späteren Epilepsie. Derzeit beträgt die Invalidität 45 %. Der Kläger konnte deshalb auch nicht wie beabsichtigt nach der 6. Klasse auf die Realschule wechseln.
Der Kläger wirft den Beklagten zu 1) und 2) grobe Sorgfaltsplichtverletzungen vor. Der Beklagte zu 1) hätte, da hier eine bessere Sicht gewesen wäre, von oben aus gesehen rechts an der Piste hochfahren müssen. Zudem sei der Motorschlitten nicht mit Warneinrichtungen ausgerüstet gewesen. Die Beklagte zu 2) treffe deshalb auch ein Organisationsverschulden, zumal sie überdies nicht die erforderliche Ausnahmegenehmigung zum Betrieb des Motorschlittens besessen habe. Seine, des Klägers, allfällige eigene Mitverursachung trete dahinter völlig zurück. Er hat daher die Beklagten zum vollen Ersatz seines Schadens aus dem Skiunfall verpflichtet gehalten, Sachschäden i.H.v. 2.420 DM geltend gemacht, ein der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld gefordert, wobei er einen Betrag von 120.000 DM als angemessen angesehen hat, und die Feststellung begehrt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner ihm zum Ersatz jeglichen künftigen Schadens aus dem Unfall verpflichtet seien, soweit Ersatzansprüche nicht kraft Gesetzes auf Dritte übergegangen seien.
Die Beklagten sind dagegen der Ansicht, der Unfall sei für sie nicht vorhersehbar und nicht abwendbar gewesen. Der Kläger sei von einer erhöhten Rampe mit Schlittschuhschritten gestartet, in Hocke und Schuss abgefahren, mehr als 6 Meter über die Hangkante gesprungen und direkt auf den Motorschlitten geprallt. Den Weg an dem von oben aus gesehen rechten Pistenrand habe er wegen einer dort befindlichen Skischulgruppe und der dann insgesamt zweimal erforderlichen Hangquerung nicht nehmen können. Ferner habe er zum Unfallzeitpunkt den Bergwachtmann Sch. zu einem Verletzten mit Schienbeinbruch bringen wollen. Schließlich bestreiten die Beklagten die Höhe des geltend gemachten Sachschadens.
Das LG München II hat am 26.7.2001 die Beklagten samtverbindlich zur Zahlung von Sachschadensersatz i.H.v. 1.320 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 21.2.2001 und eines Schmerzensge...