Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftungsumfang eines Fahrzeugvollversicherungsvertrags
Normenkette
StGB § 315c; StVO § 29
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 29.12.2015; Aktenzeichen 12 O 19731/14) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten vom 01.02.2016 gegen das Endurteil des LG München I vom 29.12.2015 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das vorgenannte Urteil des Landgerichts sowie dieses Urteil sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Gegenstand des Rechtsstreits sind Ansprüche des Klägers aus einer bei der Beklagten abgeschlossenen Fahrzeugvollversicherung. Kein Versicherungsschutz besteht nach den vereinbarten AKB (Anl. K 8 zur Klage) für Schäden, die der Versicherungsnehmer vorsätzlich herbeiführt sowie für Schäden, die bei Beteiligung an Fahrveranstaltungen entstehen, bei denen es auf die Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit ankommt. Im zwischen den Parteien vereinbarten Tarif besteht bei grob fahrlässiger Schadensherbeiführung keine Kürzungsmöglichkeit. Der Kläger verursachte mit seinem bei der Beklagten versicherten Pkw Porsche 911 am 10.03.2014 auf der L.straße 189 (W.straße) in Fahrtrichtung M. in einer etwas mehr als 400 m nach der Abzweigung G. liegenden Rechtskurve einen schweren Verkehrsunfall und kollidierte schleudernd mit einem entgegenkommenden Pkw, dessen Insasse, der Zeuge C. schwer verletzt wurde. Ausweislich eines erholten Dekra-Gutachtens (Sonderheft Gutachten der beigezogenen Akte 662 JS 100/14 Staatsanwaltschaft Bonn) betrug die Mindestkollisionsgeschwindigkeit des Klägers 98 km/h aus einer Ausgangsgeschwindigkeit von mindestens 128 km/h 40 m vor der Kollision. Der Pkw des Klägers erlitt Totalschaden. Der Kläger wurde durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerischts Siegburg vom 08.05.2015 wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe von 8 Monaten verurteilt. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Bereich der Unfallstelle war auf 70 km/h beschränkt. Der Klägervertreter stellte in mündlicher Verhandlung 1. Instanz die seitens der Beklagten zunächst unter Beweis gestellte Mindestausgangsgeschwindigkeit von 140 km/h unstreitig, worauf die Beklagte eine solche von 180 km/h behauptete.
Der Kläger trägt vor, er habe sich von einem hinter ihm fahrenden Pkw, es handelte sich um einen Audi R 8, bedrängt gefühlt und sich von diesem absetzen wollen, eine Absprache eines Rennens habe nicht stattgefunden, er habe gedacht, er schaffe die Kurve.
Die Beklagte beruft sich auf Leistungsfreiheit, da es sich um eine Rennveranstaltung im Sinne der AKB gehandelt und überdies der Kläger den Unfall vorsätzlich herbeigeführt habe, was sich u.a. daraus ergebe, dass der Porsche bereits am Kurveneingang mit seiner linken Seite auf der Gegenfahrbahn war.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des Endurteils des LG München I vom 29.12.2015, durch welches der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 82.217,05 EUR nebst Zinsen und Freistellung des Klägers von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt wurde (Bl. 107/119 d.A.), Bezug genommen.
Gegen dieses der Beklagten am 07.01.2016 zugestellte Urteil legte die Beklagte mit einem beim Oberlandesgereicht am 01.02.2016 eingegangenem Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten Berufung ein (Bl. 124/125 d.A.), welche nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit einem beim Oberlandesgereicht am 07.04.2016 eingegangenem Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten (Bl. 130/135 d.A.) unter Vertiefung des erstinstanzlichen Parteivortrags begründet wurde. Die Schadenshöhe ist im Berufungsverfahren nicht mehr streitig.
Die Berufungsklägerin beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen Der Berufungsbeklagte beantragt unter Verteidigung des Ersturteils,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akte der Staatsanwaltschaft Bonn, Az. 662 JS 100/14 beigezogen und diese sowie insbesondere die darin enthaltene Lichtbildmappe und das Gutachten der DEKRA zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht (Bl. 199 d.A.)
Der Senat hat gemäß Beweisanordnung vom 28.11.2016 (Bl. 188/191 d.A.) und 10.03.2017 (Protokoll v. 10.03.2017, S. 7 = Bl. 204 d.A.) Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen B., C., M.(Beifahrerin im R 8), Br., S. und G. sowie durch Einholung eines mündlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. R. Weiter hat der Senat den Kläger informatorisch angehört.
Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 10.03.2017 (Bl. 198/216 d.A.) verwiesen. Im Hinblick auf den erfolgten Richterwechsel haben sich die Parteien mit der V...