Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung eines Erbauseinandersetzungsvertrages: Arglistige Täuschung durch Verschweigen eines früheren Erbverzichts
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Erbauseinandersetzungsvertrag, der gem. § 2042 BGB durch die Abgabe von Willenserklärungen zustande kommt, ist wegen arglistiger Täuschung gem. § 123 BGB anfechtbar (Rz. 45).
2. Auch das Verschweigen von Tatsachen kann eine Täuschung darstellen, wenn hinsichtlich der verschwiegenen Tatsache eine Aufklärungspflicht besteht. Hinsichtlich des von einem im Erbschein genannten Erben früher abgegebenen Erbverzichts (§ 2346 BGB) besteht wegen des Informationsgefälles auch ungefragt eine Aufklärungspflicht durch den Verzichtenden gegenüber seinen Geschwistern als Miterben. Zudem besteht auch im Hinblick auf die familiäre Verbundenheit ein Vertrauensverhältnis, welches eine Aufklärungspflicht begründet (Rz. 48).
Normenkette
BGB §§ 123, 2042, 2346
Verfahrensgang
LG Landshut (Urteil vom 03.09.2008; Aktenzeichen 55 O 2851/07) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Schlussurteil des LG Landshut vom 3.9.2008 - 55 O 2851/07, insoweit abgeändert, als es in Ziff. II. des Tenors heißen muss:
Der Beklagte wird weiterhin verurteilt, an die Erbengemeinschaft nach Anna H., bestehend aus dem Kläger, Elfriede R.,..., und Elisabeth H., 107.174,07 EUR nebst 4 % Zinsen und ab 1.1.2002 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus
a) je 563,09 EUR seit 4.3.1989, seit 5.4.1989, seit 5.5.1989, seit 5.6.1989, seit 5.7.1989, seit 4.8.1989, seit 5.9.1989, seit 5.10.1989, seit 6.11.1989 und seit 5.12.1989;
b) je 693,49 EUR seit 5.1.1990, seit 5.2.1990, seit 5.3.1990, seit 5.4.1990, seit 5.5.1990, seit 6.6.1990, seit 5.7.1990, seit 4.8.1990, seit 5.9.1990, seit 4.10.1990, seit 6.11.1990 und seit 5.12.1990;
c) je 732 EUR seit 5.1.1991, seit 5.2.1991, seit 5.3.1991, seit 5.4.1991, seit 6.5.1991, seit 5.6.1991, seit 4.7.1991, seit 5.8.1991, seit 5.9.1991, seit 4.10.1991, seit 6.11.1991 und seit 5.12.1991;
d) je 732 EUR seit 7.1.1992, seit 5.2.1992, seit 5.3.1992, seit 4.4.1992, seit 6.5.1992, seit 4.6.1992, seit 4.7.1992, seit 5.8.1992, seit 4.9.1992, seit 6.10.1992, seit 5.11.1992 und seit 4.12.1992;
e) je 732 EUR seit 7.1.1993, seit 4.2.1993, seit 4.3.1993, seit 5.4.1993, seit 6.5.1993, seit 4.6.1993, seit 5.7.1993 und aus je 943,06 EUR seit 5.8.1993, seit 4.9.1993, seit 5.10.1993, seit 5.11.1993 und seit 4.12.1993;
f) je 943,06 EUR seit 7.1.1994, seit 4.2.1994, seit 4.3.1994, seit 7.7.1994, seit 5.5.1994, seit 6.6.1994, seit 5.7.1994, seit 4.8.1994, seit 5.9.1994, seit 6.10.1994, seit 5.11.1994 und seit 5.12.1994;
g) je 1.061,44 EUR seit 5.1.1995, seit 4.2.1995, seit 4.3.1995, seit 5.4.1995, seit 5.5.1995, seit 6.6.1995, seit 5.7.1995, seit 4.8.1995, seit 5.9.1995, seit 5.10.1995, seit 6.11.1995 und seit 5.12.1995;
h) je 1.771,58 EUR seit 5.1.1996, seit 5.2.1996, seit 5.3.1996, seit 4.4.1996, seit 6.5.1996, seit 5.6.1996, seit 4.7.1996, seit 5.8.1996, seit 5.9.1996, seit 5.10.1996, seit 6.11.1996 und seit 5.12.1996;
i) 27.701,11 EUR seit 15.1.1997
zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht in gesetzlicher Prozessstandschaft für die Erbengemeinschaft nach Anna H. Ansprüche auf Rückzahlung aus der Rückabwicklung des Erbauseinandersetzungsvertrages vom 27.10.1989 geltend.
Die Parteien und ihre Schwestern, Elfriede R. und Elisabeth H., sind Kinder des am 19.9.1977 verstorbenen Rupert H. und seiner am 8.2.1989 verstorbenen Ehefrau Anna H. (künftig Erblasserin). Die Erblasserin war Alleinerbin des Rupert H.. Sie hat keine Verfügung von Todes wegen hinterlassen.
Mit notarieller Urkunde vom 10.4.1978 (Anlage K 16) hatte die Erblasserin dem Beklagten u.a. das elterliche Baugeschäft samt Grundbesitz, K. Haus Nr. 66 nebst Grünland und Haus Nr. 88 zum 1.3.1978 überlassen. Im Gegenzug verzichtete der Beklagte in der vorgenannten Urkunde unter Ziff. IV. auf sein gesetzliches Erbrecht und seine Pflichtteilsansprüche am zukünftigen Nachlass der Erblasserin für sich und seine Abkömmlinge. Ferner verpflichtete sich der Beklagte unter Ziffer XIII. 4., gegenüber seinen Geschwistern, Geldzahlungen zu erbringen. Die Urkunde ist mit "Übergabe mit Erbverzicht" überschrieben.
Am 2.6.1989 erteilte das Nachlassgericht den Parteien und ihren Schwestern einen Erbschein, welcher diese als Erben der Anna H. zu je ¼ auswies.
Mit notarieller Urkunde des Notars M. vom 27.10.1989 (Anlage 5) wurde die Erbengemeinschaft auseinandergesetzt. Der Beklagte erhielt ein Wohnhaus (Fl. St ...00/2) und einen Miteigentumsanteil von 1/5 am Fl. St ...00/6 (Hofraum/Gar...