Leitsatz (amtlich)
Bei (Kapital-)Gesellschaften tritt an die Stelle des gewöhnlichen Aufenthalts i.S.d. § 110 Abs. 1 ZPO der tatsächliche Verwaltungssitz, nicht der satzungsmäßige Sitz.
Normenkette
ZPO § 110
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 20.05.2009; Aktenzeichen 21 O 12220/08) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Zwischenurteil des LG München I vom 20.5.2009 teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:
I. Es wird angeordnet, dass die Klägerin wegen der Prozesskosten der Beklagten bis 10.8.2010 eine Sicherheit i.H.v. 14.000 EUR zu leisten hat.
II. Im Übrigen wird das Prozesskostensicherheitsverlangen zurückgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.
Gründe
I. Die Klägerin, eine am 30.8.2007 im Vereinigten Königreich gegründete Private Limited Company, deren Alleingesellschafter Prof. R. M. L. ist, macht gegen die Beklagten, die in Österreich ansässig sind, lauterkeitsrechtliche Ansprüche geltend.
Die Beklagten haben in erster Instanz vorab beantragt:
Leistung einer Prozesskostensicherheit durch die Klägerin i.H.v. 18.000 EUR binnen 14 Tagen nach Erlass eines Zwischenurteils.
Die Klägerin hat dazu in erster Instanz beantragt:
Zurückweisung des Antrags auf Leistung einer Prozesskostensicherheit.
Das LG hat mit Urteil vom 20.5.2009 den Antrag der Beklagten auf Leistung von Prozesskostensicherheit durch die Klägerin zurückgewiesen.
Auf dieses Urteil, das in juris veröffentlicht ist, wird einschließlich der darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten.
Die Beklagten beantragen in der Berufungsinstanz:
I. Unter Abänderung des Zwischenurteils vom 20.5.2009 - 21 O 12220/08, wird die Klägerin verurteilt, binnen 14 Tagen den Erlag einer Prozesskostensicherheit i.H.v. EUR 18.000 durch Hinterlegung zu leisten.
II. Vorsorglich wird für den Fall des Unterliegens beantragt, die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt in der Berufungsinstanz:
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Ergänzend wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll des Termins der mündlichen Verhandlung vom 24.6.2010 Bezug genommen.
II. Die zulässige (§ 280 Abs. 2 Satz 1 ZPO) Berufung der Beklagten ist, von der Höhe der Prozesskostensicherheit abgesehen, begründet.
1. Das LG hat in dem angefochtenen Zwischenurteil in zulässiger Weise (vgl. BGH, Beschl. v. 16.6.2005 - IX ZR 219/03 = BeckRS 2005 0845, juris, Tz. 8) lediglich über das Verlangen der Beklagten nach Leistung einer Prozesskostensicherheit - hierbei handelt es sich um eine (verzichtbare) Prozessvoraussetzung - entschieden. Dies hat zur Folge, dass der Überprüfung im vorliegenden Berufungsverfahren nur die Entscheidung über das Verlangen der Beklagten nach Leistung einer Prozesskostensicherheit unterliegt, nicht hingegen die Prüfung anderer Prozessvoraussetzungen (vgl. BGH, Beschl. v. 16.6.2005 - IX ZR 219/03 = BeckRS 2005 0845, juris, Tz. 9).
2. Das Verlangen der Beklagten nach Leistung einer Prozesskostensicherheit seitens der Klägerin ist dem Grunde nach gerechtfertigt. Der Höhe nach ist die Prozesskostensicherheit auf 14.000 EUR festzusetzen.
a) Auf Verlangen des Beklagten haben Kläger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben, nach § 110 Abs. 1 ZPO wegen der Prozesskosten Sicherheit zu leisten. Bei (Kapital-)Gesellschaften tritt an die Stelle des gewöhnlichen Aufenthalts i.S.d. § 110 Abs. 1 ZPO der tatsächliche Verwaltungssitz, nicht der satzungsmäßige Sitz (vgl. BGH, Urt. v. 1.7.2002 - II ZR 380/00, juris, Tz. 12, Tz. 14 [betreffend eine nach dem Recht der Kanalinsel Jersey gegründete Limited Company]); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 6. Aufl., Rz. 2004d). Maßgebend für den tatsächlichen Verwaltungssitz ist der Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane, also der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden (vgl. BGH, Urt. v. 15.3.2010 - II ZR 27/09, Tz. 16, juris, m.w.N.). Nicht relevant ist in diesem Zusammenhang der Ort bloßer Betriebsstätten (vgl. Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 8. Aufl., S. 504) und auch nicht der Ort der Ausführung einzelner Geschäfte (vgl. OLG Hamm NJW-RR 1995, 469, 471 m.w.N.).
Die vorstehende Auslegung von § 110 Abs. 1 ZPO verstößt nicht gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 18 Abs. 1 AEUV (vormals Art. 12 Abs. 1 EG). Allerdings verbietet es Art. 18 Abs. 1 AEUV nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (vgl. EuGH, Urt. v. 26.9.1996 - C 43/95, Tz. 22, juris - Data Delecta Aktiebolag und Ronny Forsberg gegen MSL Dynamics Ltd.) einem Mitgliedstaat, von einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen juristischen Person, die bei einem seiner Gerichte eine Klage er...