Leitsatz (amtlich)
Eine nach dem Recht eines US-Bundesstaates gegründete Corporation hat nach § 110 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit Art. VI Abs. 1 des Deutsch-Amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrages vom 29.10.1954 und Ziffer 6. a) des dazugehörigen Protokolls keine Prozesskostensicherheit zu leisten, sofern sie über eine Zweigniederlassung auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verfügt, mag diese auch außerhalb des Bezirks des erkennenden Gerichts liegen.
Normenkette
Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag Art. VI Abs. 1 Fassung: 1954-10-29; GG Art. 32 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 Nr. 1; Protokoll zum Deutsch-Amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag Ziff. 6a Fassung: 1954-10-29; U.S. Constitution Article VI Clause 2; Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK) Art. 31-33; ZPO § 110 Abs. 1, 2 Nr. 1, § 280 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 33 O 16189/18) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Zwischenurteil des Landgerichts München I vom 19.05.2020, Az. 33 O 16189/18, wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um eine Prozesskostensicherheit in einem markenrechtlichen Verfahren wegen des Verfalls des deutschen Teils einer internationalen Markenregistrierung.
Die Klägerin ist eine Corporation nach dem Recht des US-Bundesstaates Delaware. Die Beklagte ist eine Gesellschaft italienischen Rechts mit Sitz in Mailand.
Die Klägerin behauptet, sie verfüge über eine Zweigniederlassung in Köln unter der im Klagerubrum angegebenen Anschrift. Deren Existenz lasse sich aus den Handelsregisterauszügen gemäß den Anlagen K 3 und BB 1 und den Markeneintragungen im Register des DPMA (Anlagen K 4 und K 5) ersehen. Tatsächlich würden alle wesentlichen und grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung in Köln getroffen und umgesetzt.
Die Klägerin ist der Ansicht, sie müsse wegen der im Bundesgebiet belegenen Zweigniederlassung keine Sicherheit leisten. Es bestehe aufgrund der Zweigniederlassung keine Gefahr, dass die Beklagte im Falle ihres Obsiegens ihre Kostenerstattungsansprüche nicht durchsetzen könne und Schwierigkeiten bei der Auslandsvollstreckung begegne.
Die Beklagte ist der Auffassung, für die Pflicht zur Leistung einer Prozesskostensicherheit sei die vermeintliche Zweigniederlassung in Deutschland rechtlich unerheblich. Es sei allein maßgeblich, dass sowohl der Gründungssitz als auch der tatsächliche Verwaltungssitz der Klägerin in den USA lägen.
Das Landgericht hat durch Zwischenurteil vom 19.05.2020, Az. 33 O 16189/18, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, den Antrag der Beklagten, dass die Klägerin der Beklagten wegen der Prozesskosten Sicherheit zu leisten hat und ihr eine Frist zur Sicherheitsleistung zu setzen ist, zurückgewiesen.
Die Beklagte greift das Zwischenurteil mit ihrer Berufung an.
Die Beklagte beantragt:
Unter Abänderung des am 19.05.2020 verkündeten Zwischenurteils des Landgerichts München I (Az. 33 O 16189/18) wird der Klägerin aufgegeben, dass sie der Beklagten wegen der Prozesskosten Sicherheit zu leisten hat innerhalb einer vom Gericht zu bestimmenden Frist.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.06.2021 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
II. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die Berufung gegen das Zwischenurteil, durch das der Antrag der Beklagten auf Prozesskostensicherheit zurückgewiesen wurde, ist zulässig, weil das Zwischenurteil nach § 280 Abs. 2 Satz 1 ZPO wie ein Endurteil anfechtbar ist.
2. Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Die Klägerin hat - wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat - nach § 110 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO keine Prozesskostensicherheit zu leisten.
a) Nach § 110 Abs. 1 ZPO leisten Kläger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben, auf Verlangen des Beklagten wegen der Prozesskosten Sicherheit. Bei Gesellschaften und juristischen Personen bestimmt sich der gewöhnliche Aufenthalt in erster Linie nach dem Sitz, wobei durch § 110 Abs. 1 ZPO nicht eindeutig vorgegeben ist, ob auf den satzungsmäßigen Sitz bzw. Gründungssitz abzustellen ist oder auf den tatsächlichen Verwaltungssitz (BeckOK ZPO/Jaspersen, 40. Ed. 1.3.2021, § 110, Rn. 19). Die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung tritt nach § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht ein, wenn aufgrund völkerr...