Entscheidungsstichwort (Thema)
Befreiung einer über eine inländische Tochtergesellschaft verfügende, in Kalifornien/USA ansässige Kapitalgesellschaft von der Prozesskostensicherheit. Höhe der Prozesskostensicherheit
Leitsatz (amtlich)
1. Eine in Kalifornien, USA, ansässige Kapitalgesellschaft (corporation), die über eine inländische Tochtergesellschaft verfügt, ist nicht gemäß § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO von der Verpflichtung zur Leistung einer Prozesskostensicherheit befreit. Denn die inländische Tochtergesesellschaft ist keine inländische Niederlassung im Sinne des Art. VI Nr. 1 des Deutsch-Amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrags vom 29.10.1954.
2. In die Höhe der nach § 112 Abs. 1 ZPO festzusetzenden Prozesskostensicherheit sind bereits vom Sicherungsschuldner gezahlte Gerichtskosten nicht mit einzurechnen, weil die andere Partei sich gegen eine denkbare Erstattungsforderung bei zwischeninstanzlicher Kostenvollstreckung durch Sicherheitsleistung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO sichern kann; § 711 ZPO ist also im Falle der Kostenvollstreckung vor Rechtskraft gegenüber den §§ 110 ff. ZPO vorrangige Spezialvorschrift.
Normenkette
ZPO § 110 Abs. 2 Nr. 1, § 112 Abs. 1, §§ 308, 708 Nr. 10, §§ 711, 929; Deutsch-Amerikanischer Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag Art. VI Nr. 1
Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 315 O 168/08) |
Tenor
Der Klägerin wird auferlegt, über die bereits geleistete Prozesskostensicherheit in Höhe von € 55.000,00 hinaus eine Prozesskostensicherheit in Höhe weiterer € 27.000 zu leisten.
Die Sicherheit ist bis zum 8.11.2009 zu erbringen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz über die Verpflichtung der Klägerin zur Erbringung einer Prozesskostensicherheit.
Die Klägerin mit Sitz in Kalifornien, USA, klagt gegen die in Deutschland ansässige Beklagte auf die Feststellung der Unwirksamkeit einer markenrechtlichen Abgrenzungsvereinbarung sowie der Schadensersatzpflicht. Die Klägerin besitzt weder Grundvermögen noch dinglich gesicherte Forderungen in Deutschland, hat aber Tochterunternehmen sowohl in Deutschland als auch in anderen Mitgliedsstaaten der EU.
Mit Zwischenurteil vom 28.8.2008 hat das Landgericht Hamburg der Klägerin eine Sicherheitsleistung in Höhe von € 55.000,00 für die Prozesskosten erster und teilweise zweiter Instanz auferlegt, welche die Klägerin geleistet hat.
Die Beklagte macht geltend, dass die Klägerin nicht gemäß § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO von der Pflicht zur Sicherheitsleistung entbunden sei, da ein völkerrechtlicher Vertrag im Sinne dieser Vorschrift im vorliegenden Zusammenhang nicht bestehe. Insbesondere seien Tochtergesellschaften keine Niederlassungen im Sinne der Protokollnotiz Nr. 6 zum Deutsch-Amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag vom 29.10.1954 (BGBl. II 1956, 488). Eine Vollstreckung in inländisches Vermögen sei bei diesen gerade nicht möglich, da es sich um eigenständige Rechtspersönlichkeiten handele, dies unabhängig davon, ob sie in Deutschland oder in anderen Mitgliedsstaaten der EU belegen seien. Der Höhe nach habe die Klägerin die Kosten aller drei Instanzen zu besichern; es sei aufgrund der Bedeutung der Sache auch die Befassung des Bundesgerichtshofs zu erwarten. Die durch den Anwaltswechsel entstandenen weiteren Kosten seien zu berücksichtigen, weil seine Ursache - der Wechsel eines zunächst bei den Klägervertretern angestellten Rechtsanwaltes zu den seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten, den Rechtsanwälten L. pp. - im Zeitpunkt der ersten Mandatierung nicht voraussehbar gewesen sei. Diese zusätzlichen Kosten habe die Klägerin maßgeblich mit verursacht, weil sie der Fortführung des Mandats durch die Rechtsanwälte L. pp. nicht zugestimmt habe. Die Gerichtskosten aller Instanzen seien einzurechnen, auch soweit die Klägerin sie bereits entrichtet habe, da sie, die Beklagte, im Falle eines Unterliegens in der Berufungsinstanz Gefahr laufe, auf Erstattung dieser Kosten in Anspruch genommen zu werden und, sofern das Revisionsgericht zu ihren Gunsten entscheiden werde, sich diese Kosten von der Klägerin zurückholen zu müssen.
Die Beklagte beantragt,
der Klägerin aufzuerlegen, die mit Zwischenurteil vom 28.8.2008 auferlegte Sicherheitsleistung in Höhe von € 55.000,00 angemessen zu erhöhen.
Die Klägerin beantragt,
den Antrag der Klägerin zurückzuweisen.
Die Klägerin ist der Auffassung, wegen ihrer Tochtergesellschaften in Deutschland, Spanien, Frankreich und dem Vereinigten Königreich nicht zu einer Sicherheitsleistung verpflichtet zu sein. Aus der Protokollnotiz Nr. 6 zum Deutsch-Amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag vom 29.10.1954 (BGBl. II 1956, 488) in Verbindung mit § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ergebe sich, dass eine Sicherheitsleistung nicht verlangt werden dürfe, wenn die Klägerin eine Niederlassung in Deutschland habe. Diese Regelung sei europarechtskonform so zu interpretieren, dass auch eine Zweigniederlassung in einem anderen...