Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbringung der Beförderungsleistung
Leitsatz (amtlich)
1. Einem ausländischen Gesetz, das Verträge mit israelischen Staatsangehörigen verbietet (hier: kuwaitisches Einheitsgesetz zum Israel-Boykott) ist in der Bundesrepublik D. keine Wirkung zu verleihen. (Rn. 28 - 30)
2. Die Existenz und die tatsächlichen Auswirkungen eines solchen Gesetzes - hier: Einreiseverbot für israelische Staatsangehörige in K. - können jedoch ein tatsächliches Leistungshindernis für die Flugbeförderung eines israelischen Staatsbürgers mit Zwischenladung in K. darstellen. (Rn. 31 - 35)
3. Für eine Klage auf Geldentschädigung wegen Diskriminierung gegen eine nicht in der EU ansässige Gesellschaft sind die deutschen Gerichte international zuständig, wenn der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in D. hat. Das gilt unabhängig davon, ob der Entschädigungsanspruch als vertraglicher oder als deliktischer Anspruch qualifiziert wird. In diesem Fall ist deutsches Sachrecht anwendbar. (Rn. 23 - 26)
4. Das Vorliegen eines tatsächlichen Leistungshindernisses kann den Anspruch auf Geldentschädigung wegen Diskriminierung ausschließen. (Rn. 50)
Normenkette
AGG § 3 Abs. 2, § 21 Abs. 2; BGB § 275 Abs. 1, § 631 Abs. 1; LuftVG § 21 Abs. 2 S. 3, § 21a S. 2; EGV Nr. 593/2008 Art. 9 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Landshut (Urteil vom 15.10.2019; Aktenzeichen 24 O 61/19) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 15.10.2019, Az. 24 O 61/19, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahren zu tragen.
3. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 23.600,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von der beklagten Fluggesellschaft die Flugbeförderung von M. nach S. L. und zurück jeweils mit Transitaufenthalt in K.-Stadt, hilfsweise Feststellung, dass die Beklagte zur Beförderung verpflichtet war, sowie Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von mindestens 20.000,00 Euro.
Der Kläger ist ein in D. lebender israelischer Staatsbürger. Alleingesellschafterin der beklagten Fluggesellschaft ist der Staat K..
Der Kläger buchte am 07.11.2018 über ein Online-Reiseportal einen Flug von M. nach S. L. für den 10.11.2018 und einen Rückflug für den 17.11.2018 jeweils mit Transitaufenthalt in K.-Stadt. Das Online-Reiseportal bestätigte zunächst die Buchung und übermittelte dem Kläger eine Buchungsnummer. Am Folgetag wurde die Buchung storniert. Zwischen den Parteien ist streitig, von wem die Buchung storniert wurde.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem landgerichtlichen Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat mit Endurteil vom 15.10.2019 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt:
Ein Anspruch des Klägers auf Beförderung aus dem Beförderungsvertrag bestehe nicht, da die Leistungspflicht der Beklagten gem. § 275 Abs. 1 BGB erloschen sei. Zwar begründe das kuwaitische "Gesetz Nr. 21 des Jahres 1964 - Einheitsgesetz zum I.-Boykott" kein Leistungshindernis. Denn diesem sei keine Wirkung zu verleihen, da es fundamentalen Grundwerten der deutschen Rechtsordnung widerspreche. Die Beförderung des Klägers sei der Beklagten jedoch tatsächlich unmöglich, weil der Kläger als Inhaber eines israelischen Reisepasses nicht nach K. reisen dürfe, selbst wenn er nicht in das Land einreisen, sondern sich lediglich zwecks Durchreise und Umstieg im Transitbereich aufhalten wolle. Dies ergebe sich aus den Angaben der von der IATA, dem internationalen Dachverband der Fluggesellschaften, betriebenen Datenbank T. (Anlage B 3) sowie einem Schreiben der K.ischen Botschaft in D. vom 10.10.2017 (Anlage B 4). Es sei der Beklagten auch nicht deshalb verwehrt, sich auf ein innerstaatliches Gesetz als Hindernis zu berufen, weil sie zu 100% im Eigentum des Staates K. stehe und die Verbotsnorm von diesem Staat geschaffen worden sei, denn die Beklagte als juristische Person und ihr Alleingesellschafter stellten unterschiedliche Rechtssubjekte dar. Das Verhalten der Beklagten stelle sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des venire contra factum proprium als treuwidrig dar, wenn sie in D. Flugtickets in Kenntnis des Umstands anbiete, dass der Erbringung der Beförderungsleistung gegenüber israelischen Staatsbürgern ein tatsächliches Leistungshindernis entgegenstehe. Denn die Beklagte könne nicht beeinflussen, ob vor der Buchung über Internetplattformen die Staatsbürgerschaft eines jeden Fluggastes abgefragt werde. Dies sei Sache der Buchungsplattform. Zudem stünden dem Fluggast - so auch hier dem Kläger - die Rechte nach § 275 Abs. 4 BGB wegen der mit dem Leistungshindernis verbundenen vertragl...