Entscheidungsstichwort (Thema)
AGB-rechtliche Unwirksamkeit der Vereinbarung eines qualifizierten Rangrücktritts
Leitsatz (amtlich)
Die in AGB enthaltene Vereinbarung eines qualifizierten Rangrücktritts für einen Darlehensrückzahlungsanspruch kann als unangemessene Benachteiligung unwirksam sein.
Normenkette
BGB §§ 305-307; InsO §§ 38-39, 179 Abs. 1, § 181
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 14.07.2017; Aktenzeichen 27 O 8825/16) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 14.07.2017 (Az.: 27 O 8825/16) dahingehend abgeändert, dass festgestellt wird, dass dem Kläger im Insolvenzverfahren über das Vermögen der T. Capital GmbH, Amtsgericht München, Geschäftsnummer: ...04/13, eine in Rangklasse des § 38 InsO aufzunehmende Forderung in Höhe von 19.000,00 EUR zusteht.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 9.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II. Die gemäß §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten als Insolvenzverwalter der T. Capital GmbH Anspruch auf Feststellung gemäß §§ 179 Abs. 1, 181 InsO, dass ihm eine Forderung in Höhe von 19.000,00 EUR in der Rangklasse des § 38 InsO zusteht. Der in § 5 des GreenUp-Investmentvertrags vom 10.05.2012 (K 1) enthaltene qualifizierte Rangrücktritt stellt eine Allgemeine Geschäftsbedingung gemäß § 305 BGB dar. Diese Klausel benachteiligt den Kläger gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen und ist deshalb unwirksam. Dementsprechend war festzustellen, dass dem Kläger ein Darlehensrückzahlungsanspruch in Höhe von 19.000,00 EUR zusteht.
Im Einzelnen ist Folgendes zu bemerken:
1. Die Regelung des qualifizierten Rangrücktritts in § 5 des GreenUp-Investmentvertrags vom 10.05.2012 (K 1) ist eine von der L. O. Investment GmbH vorformulierte Vertragsbedingung, die von ihr für eine Vielzahl von Verträgen gestellt wurde. Sie stellt damit eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB dar.
2. Einer Inhaltskontrolle gemäß § 305 ff. BGB steht auch die Regelung des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht entgegen, weil die vorliegende Abrede nicht als Vertrag auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts anzusehen ist. Der vorliegende Vertrag räumt dem Kläger keine gesellschaftsrechtlich geprägten Mitgliedschaftsrechte ein, sondern erschöpft sich in einem geldwerten Darlehensanspruch (BGHZ 119, 305, 312; Gehrlein, WM 2017, 1385, 1388). Vorliegend wurde eine erfolgsunabhängige Festverzinsung ohne jede Gewinnbeteiligung und ohne Kontroll-, Geschäftsführungs- oder Stimmrechte vereinbart, so dass eine gesellschaftsrechtliche Regelung im Sinne des § 310 Abs. 4 BGB nicht gegeben ist (BGHZ 127, 176, 177 f.; Poelzig, WM 2014, 917, 920).
3. Die Frage, ob es sich bei der Vereinbarung des qualifizierten Rangrücktritts in § 5 des streitgegenständlichen Vertrags (K 1) um eine überraschende Klausel gemäß § 305 c BGB handelt, kann letztlich offen bleiben.
a) Nach der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 84, 109, 112 ff.; BGH, NJW-RR 2014, 937 Rn. 12) hat eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen dann überraschenden Charakter, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Die Erwartungen des Vertragspartners werden dabei von allgemeinen und von individuellen Begleitumständen des Vertragsschlusses bestimmt. Hierzu zählen der Grad der Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht und die für den Geschäftskreis übliche Gestaltung einerseits, Gang und Inhalt der Vertragsverhandlungen sowie der äußere Zuschnitt des Vertrags andererseits.
b) Gemessen hieran dürfte die vorgenannte qualifizierte Rangrücktrittsvereinbarung nicht überraschend sein. Bereits aus der Überschrift des Vertrages wird deutlich, dass es sich vorliegend um ein qualifiziert nachrangiges Unternehmensdarlehen handelt, das vereinbart werden soll. Dies ergibt sich auch aus § 1 des Vertrages, in dem der Vertragszweck definiert und auf die Regelung in § 5 verwiesen wird. Auch aus der Überschrift des § 5 ergibt sich, dass es sich vorliegend um die Gewährung eines Darlehens mit qualifiziertem Rangrücktritt handelt. Problematisch ist allerdings, ob der Vertragspartner dem Wort "qualifiziert" entnehmen kann, dass der Anspruch auch vor Eintritt des Insolvenzfalls nicht geltend gemacht werden kann, wenn dies einen Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrnes herbeiführen würde. Im Text des § 5 ist allerdings das Wort "Totalverlust" in Fettdruck hervorgehoben. Ergänzend wird auf die Ausführungen im angefochtenen Endurteil auf den Seiten 7 und 8 Bezug genommen, die sich der Senat ausdrücklich zu eigen macht.
Dass vorliegend eine überraschende Klausel gemäß § 305 c BGB gegeben ist, lässt sich den beiden ...