Entscheidungsstichwort (Thema)
Parteiverrat durch Patentanwalt
Leitsatz (amtlich)
1. Vertritt ein Patentanwalt einen ersten Mandanten bei der Anmeldung von Schutzrechten beim DPMA und vertritt dieser Patentanwalt später den Erwerber dieser Schutzrechte als zweiten Mandanten als Löschungskläger bzw. Beklagten in Löschungs- und Verletzungsverfahren (mit einem anderen Gebrauchsmuster des ersten Mandanten als Gegenstand) gegen den ersten Mandanten, handelt es sich nicht um "dieselbe Rechtssache" i.S.v. § 356 Abs. 1 StGB, wenn der Patentanwalt für seinen zweiten Mandanten in diesen Verfahren als Entgegenhaltungen die von ihm für den ersten Mandanten betreuten Schutzrechtsanmeldungen einführt. "Dieselbe Rechtssache" würde vielmehr nur dann vorliegen, wenn der Bestand der vom Patentanwalt angemeldeten Schutzrechte angegriffen und der Patentanwalt nunmehr auf Seiten des Angreifers tätig wäre.
2. In dem in Leitsatz 1 geschilderten Verhalten des Patentanwalts ist mangels Interessengegensatz auch nicht eine gem. § 356 StGB notwendige Pflichtwidrigkeit zu sehen, da hierdurch der Bestand der vom Patentanwalt angemeldeten Schutzrechte nicht berührt wird und der erste Mandant ohnehin durch die Veräußerung dieser Schutzrechte nicht mehr rechtlich tangiert ist. Der Umstand, dass der Patentanwalt die nunmehr als Entgegenhaltungen vorgebrachten ehemaligen Schutzrechte des ersten Mandanten für diesen angemeldet hatte, zieht außerdem in den Gerichtsverfahren keinen Vorteil für den zweiten Mandanten als Erwerber bzw. spiegelbildlich keinen Nachteil für den ersten Mandanten nach sich.
Normenkette
BGB; StGB § 356 Abs. 1, § 823 Abs. 2
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 18.09.2014; Aktenzeichen 7 O 12635/13) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG München I vom 18.09.2014, Az. 7 O 12635/13, wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil des LG München I, Az. 7 O 12635/13, wird ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der Kläger nimmt den Beklagten wegen behaupteten Parteiverrats auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch.
Der Kläger hat sich als Erfinder auf die Konstruktion von Stanzwerkzeugen für die Fensterbauindustrie spezialisiert und hat zahlreiche technische Schutzrechte für Stanzwerkzeuge zur Zuschneidung und Bearbeitung von Flachstabmaterial für Fensterbeschläge inne.
Der Beklagte beriet den Kläger als Patentanwalt und meldete für ihn seit November 2000 u.a. die im Klageantrag genannten Schutzrechte an. Hierbei führte der Kläger vor jeder Neuanmeldung die Patentrecherchen, Marktanalysen und Absatzmengenkalkulationen zunächst selbst durch, erstellte alle notwendigen technischen Zeichnungen, entwarf die Texte für die Patentanmeldungen weitgehend selbst, versah die Patentzeichnungen mit eigenen Bezugszeichen, stellte alle ihm wichtigen Schutzmerkmale zusammen und erstellte eine erste Liste der Ansprüche. Der Beklagte formulierte die Texte teilweise um und passte sie formal an. Bei Rückfragen insbesondere in technischer Hinsicht gab der Kläger dem Beklagten weitere Erläuterungen, wobei sich der Beklagte auch mit den Einzelheiten der Schutzrechtsanmeldung vertraut machte und teilweise die Zeichnungen mit Positionszahlen versah. Nach Übermittlung der Zeichnungen und deren Erläuterungen fanden Besprechungen beim Beklagten statt, bei denen der Kläger dem Beklagten die Funktion und Wirkungsweise seiner Erfindungen sowie den gewünschten Schutzbereich erklärte. Auch gab es eine teils rege Korrespondenz über die Einzelheiten. Der Beklagte erhielt außerdem Vorentwürfe, über die nachfolgend gesprochen wurde. Die jeweiligen Endversionen der Anmeldungen reichte der Beklagte ein. Im November 2001 analysierte der Beklagte die damals beim Kläger vorhandenen Schutzrechte und bereitete eine Bewertung vor.
Am 28.10.2003 erwarb die R. GmbH & Co. KG, vertreten durch die R. Verwaltung GmbH, diese vertreten durch Herrn L., das Betriebsvermögen der Fa. R. e. K., die der Ehefrau des Klägers gehörte. Zugleich erwarb die R. GmbH & Co. KG in den Folge
monaten die im erstinstanzlichen Klageantrag in Ziff. I. genannten technischen Schutzrechte vom Kläger zum Preis von insgesamt 4,601 Mio EUR.
Bei einer Besprechung am 30.03.2004 zwischen dem Kläger, dem Beklagten und dem Erwerber des Unternehmens Herrn L. bevollmächtigte und beauftragte der Kläger die Patentanwaltskanzlei des Beklagten, die Umschreibung der vertragsgegenständlichen Schutzrechte auf den Erwerber vorzubereiten. Direkt im Anschluss erläuterte der Kläger dem Beklagten anhand von Zeichnungen eine weitere Erfindung, wobei der Beklagte dem Kläger mitteilte, dass er neue Anmeldungen zur Vermeidung eines Interessenkonflikts n...