Entscheidungsstichwort (Thema)

Montrealer Übereinkommen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird der Transporteur von Mobiltelefonen im Rahmen der Auftragserteilung aufgrund eines "on hold" Vermerks verpflichtet sicherzustellen, dass die Auslieferung der Transportgüter an den Empfänger erst nach entsprechender Einwilligung bzw. Freigabe durch den Versender erfolgt, ist er zum Schadensersatz ohne Haftungsbegrenzung nach § 435 HGB verpflichtet, wenn durch leichtfertiges eigenes bzw. ihm zuzurechnendes Verhalten eingeschalteter Dritter die Ware an den Empfänger übergeben wird und dieser nach Erhalt untergetaucht ist.

2. Ein Mitverschulden muss sich der Versender i.H.v. 1/3 anrechnen lassen, wenn er auf den im Verhältnis zum Beförderungsgewicht besondere hohen Wert der Ware nicht hingewiesen hat.

3. Das Montrealer Übereinkommen über die Beförderung im internationalen Luftverkehr ist nicht anwendbar, wenn der Schaden, hier der Verlust des Transportguts, nicht entstand, während sich das Gut in der Obhut des Luftfrachtführers befand und sich auch nicht im Bereich der "Hilfsbeförderung" ereignete.

 

Normenkette

HGB §§ 453, 459, 425, 435, 542 Abs. 2; BGB § 254 Abs. 2; HGB (Verjährung) § 439 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 31.05.2010; Aktenzeichen 15 HKO 11324/09)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 30.11.2011; Aktenzeichen I ZR 26/11)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG München I vom 31.5.2010 - 15 HKO 11324/09, dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 41.806 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 8.7.2009 zu bezahlen sowie die Klägerin von Ansprüchen der Sozietät H., S., N., i.H.v. 1.530,58 EUR freizustellen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und bleibt die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte 2/3, die Klägerin 1/3. Von den außergerichtlichen Kosten der Nebenintervenientin trägt die Klägerin 1/3, im Übrigen trägt die Nebenintervenientin ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, falls nicht die Gegenseite vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin, die Transportversicherung der Firma Handelsagentur Gerhard W. GmbH, macht aus übergegangenem sowie aus abgetretenem Recht Ansprüche gegen die Beklagte aus einem Warentransport nach Dänemark im Oktober 2004 geltend.

Die Versicherungsnehmerin der Klägerin beauftrage die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Firma Spedition Hä. GmbH & Co. KG in P., mit dem Transport von zwei Kisten Handys von München nach Kopenhagen zur Firma He. Service. Die Auftragserteilung erfolgte durch die Übersendung der Lieferscheine der Firma W. an die Spedition Hä. GmbH und Co. KG. Auf dem Lieferschein wurde ausdrücklich handschriftlich und hervorgehoben ein "on hold" Vermerk angebracht (vgl. Anlage K 1). Die Beauftragung der Firma Spedition Hä. GmbH und Co. KG erfolgte zu festen Kosten (vgl. Anlage K 2).

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten ließ die Ware mit dem Luftfrachtführer SAS von München nach Kopenhagen verfliegen. Zum Inhalt der Air Waybill wird auf Anlage K 4 verwiesen. Nach Ankunft der Transportgüter in Kopenhagen wurden diese dem dänischen Subunternehmer der Rechtsvorgängerin der Beklagten der Firma Wi. Freight Systems (im Folgenden: Firma Wi.) übergeben. Letztere händigte die Fracht dem Empfänger aus, ohne die vorbezeichnete "on hold" Anweisung der Versicherungsnehmerin der Klägerin zu beachten. Der Empfänger der Ware ist nach deren Erhalt untergetaucht und bis heute verschwunden, so dass die Versicherungsnehmerin der Klägerin einen Verlustschaden in Höhe des der Empfängerin in Rechnung gestellten Betrags von insgesamt 69.709 EUR abzgl. der vom Empfänger geleisteten Anzahlung i.H.v. 7.000 EUR erlitten hat (vgl. Anlage K 3).

Mit Schreiben vom 23.11.2004 machte die Firma W. die Rechtsvorgängerin der Beklagten für den Verlustschaden haftbar (vgl. Anlage K 7). Sie forderte mit Übersendung der Schadensrechnung vom 26.4.2005 die Rechtsvorgängerin der Beklagten zur Zahlung des Verlustschadens in Höhe der Klageforderung auf.

Die Klägerin regulierte den Verlustschaden gegenüber ihrer Versicherungsnehmerin und macht nunmehr aus eigenem und abgetretenem Recht den Schaden ggü. der Beklagten als Rechtsnachfolgerin der Vertragspartnerin der Versicherungsnehmerin geltend. Die Rechtsnachfolge ist darauf zurückzuführen, dass durch den Austritt der persönlich haftenden Gesellschafterin der Firma Hä. GmbH & Co. KG, nämlich der Firma Hä. Verwaltungs GmbH, die Gesellschaft am 8.6.2005 erloschen ist und ihr Vermögen auf die einzige Kommanditistin, die Firma Hä. Service Company AG, übergegangen ist. Aufgrund Verschmelzungsvertrags vom 3.5.2006 wurde die Hä. Service Company AG auf die Beklagte übertragen. Die ...

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