Entscheidungsstichwort (Thema)
Werkvertraglicher Vergütungsanspruch des Auftragnehmers nach einer freien Auftraggeberkündigung
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Abgrenzung von Vorbereitungsmaßnahmen des Auftragnehmers zu vergütungspflichtigen, erbrachten Teilleistungen.
2. Die Verjährung der Forderung eines Lieferanten gegen den Auftragnehmer führt zu keiner Ersparnis "infolge" der Kündigung.
3. Zur erhöhten Darlegungs- und Beweislast und zur Abgrenzung von Ansprüchen nach § 642 BGB, wenn die Kündigung nach einem mehrjährigen Baustopp erfolgt ist.
4. Wagnis steht dem Gewinn gleich und kann nicht erspart werden (Abweichung von BGH BauR 1998, 185).
Normenkette
BGB a.F. § 649; VOB/B a.F. § 8 Nr. 1 Abs. 2
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 12.05.2011; Aktenzeichen 5 O 4934/01) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG München I vom 12.5.2011 - 5 O 4934/01, wird die Beklagte verurteilt, weitere 57.424,02 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basisizinssatz seit dem 17.10.2000 zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens zu 88 % und die Beklagte zu 12 %.
3. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in der ersten Instanz zu 67 % und die Beklagte zu 33 %.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen, soweit darin zum Nachteil der Beklagten erkannt ist. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 489.911,93 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin begehrte erstinstanzlich zuletzt mit ihrer im März 2001 erhobenen Klage Restwerklohn nach § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B, § 649 BGB und Entschädigung für Baustillstand nach § 642 BGB in der Gesamthöhe von 1.440.010,74 DM. Zugrunde lag der von der Beklagten unter dem 19.10.1993 übersandte Nachunternehmer-Auftrag zur Planung, Fertigung, Lieferung und Montage der Dachoberlichte am Neubau des Abgeordnetenhauses des Deutschen Bundestages in Bonn ("Schürmann-Bau"). Vereinbarter Fertigstellungstermin war der 24.3.1995.
Durch das Rhein-Hochwasser vom 22./23.12.1993 wurde der bereits begonnene Bau schwer beschädigt. Ab 3.1.1994 verhängte die Bundesbaudirektion einen Baustopp, der bis zu einer Umplanung im Sommer 1999 andauerte. Die neue Planung sah eine Nutzung durch die Deutsche Welle vor. Im Februar 2000 kündigte die Beklagte den Vertrag mit der Klägerin, die am 1.8.2000 ihre Schlussrechnung stellte (Anlage K 7). Die Klägerin hat nur Planungsleistungen erbracht. Zur Produktion von Material und zu Einbauleistungen der Klägerin auf der Baustelle kam es infolge des Hochwassers nicht mehr.
Die Parteien stritten über den Wegfall der Geschäftsgrundlage und über das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Kündigung der Beklagten. Durch rechtskräftiges Grundurteil vom 13.6.2006 sah das LG München I in der Kündigung vom 9.2.2000 (Anlage K 6) eine wirksame freie Kündigung und entschied: "Der Klageantrag auf Vergütung für erbrachte und nicht mehr erbrachte Leistungen sowie auf angemessene Entschädigung - betreffend das Bauvorhaben Schürmann-Bau in Bonn - ist dem Grunde nach gerechtfertigt."
Zur Höhe des Klageanspruchs erholte das LG sodann die Gutachten des Sachverständigen D. vom 5.12.2008, 29.1.2010 und vom 19.8.2010.
Durch Schlussurteil vom 12.5.2011 (künftig: LGU) hat das LG München I die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 185.219,09 EUR nebst Zinsen seit 17.10.2000 zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Mangels Verkörperung von Leistungen der Klägerin im Bauwerk bestünde kein Anspruch auf Vergütung erbrachter Leistungen, sondern nur einer auf Vergütung nicht erbrachter Leistungen. Nach Abzug ersparter Aufwendungen und geleisteter Abschlagszahlungen von der vereinbarten Vergütung ergebe sich ein Anspruch i.H.v. noch 349.836,17 DM. Ferner bestünde ein Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB i.H.v. 12.420,88 DM, zusammen 362.257,05 DM bzw. 185.219,09 EUR.
Gegen die teilweise Klageabweisung richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie greift Abzüge an, die das LG beim Vergütungsanspruch gemacht hat (Teile 1 und 2 der Schlussrechnung), nimmt jedoch die Abzüge bei den Entschädigungsansprüchen hin (Teil 3 der Schlussrechnung). Zunächst begehrte die Klägerin, das Schlussurteil abzuändern und die Beklagte zur Zahlung von 675.131,02 EUR nebst Zinsen zu verurteilen. Am 9.11.2011 bezahlte die Beklagte den im Schlussurteil ausgeurteilten Hauptsachebetrag samt Zinsen an die Klägerin.
Die Klägerin stellt daher folgenden Berufungsantrag (Schriftsatz vom 14.1...