Leitsatz (amtlich)
1. Unmöglichkeit der Leistung liegt nicht vor, wenn ein vertraglich vereinbartes Konzert eines bestimmten Orchesters mit seinem Chefdirigenten und einem festgelegten Programm wegen des krankheitsbedingten Ausfalls des Dirigenten mit diesem nicht durchgeführt werden kann.
2. Zur Haftung einer Agentur ggü. dem Konzertveranstalter für den Ausfall des Konzerts, wenn das Orchester sich weigert, mit einem anderen Dirigenten aufzutreten.
3. Der Anspruch des Konzertveranstalters ist nach § 254 Abs. 2 BGB zu mindern, wenn dieser es unterlässt, die Aufführung - ggf. auch unter Abänderung des Programms - mit einem Ersatzorchester durchzuführen.
Normenkette
BGB §§ 278, 326 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 631 Abs. 1, § a.F.; EGBGB Art. 229 § 5 S. 1
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 29.05.2002; Aktenzeichen 12 HKO 12481/01) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des LG München I v. 29.5.2002 dahin abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 18.571,96 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszins seit dem 23.4.2001 zu bezahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen bleibt.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 55/100 und die Beklagte 45/100.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt Schadensersatz wegen eines abgesagten Orchesterkonzerts.
Die Parteien schlossen am 25./26.10.2000 einen Vertrag (Anlage K 1), in dem sich die Beklagte verpflichtete, für ein Konzert, das am Samstag, den 24.3.2001, ab 20.00 Uhr, in der Alten Oper in Frankfurt/M. durchgeführt werden sollte, das Orchestre N.F. (nachfolgend ONF genannt) mit seinem Chefdirigenten C.D. zur Verfügung zu stellen. Dabei sollte folgendes Programm gespielt werden:
Maurice Ravel Pavane pour une Infante défunte
Camille Saint-Saens Konzert für Violine und Orchester Nr. 3h-moll, op. 61
Hector Berlioz Symphonie fantastique
Episode de la vie d'un artiste, op. 14
Ziff. 12 S. 1 des Vertrages enthält folgende Regelung:
Im Falle der Absage des Konzertes durch den Künstler ist C. GmbH für einen Schaden des Veranstalters nur haftbar, wenn dieser auf ein vorsätzliches oder grob-fahrlässiges Verhalten von C. GmbH zurückzuführen ist.
Das ONF hatte weitere Konzerte mit C.D. als Dirigenten am 22.3.2001 in Paris, am 25.3.2001 in Zürich und am 27.3.2001 in Köln sowie am 5.4.2001 in Le Havre geplant mit identischen bzw. weitgehend gleichen Programmen.
C.D. hat Anfang März 2001, nachdem er Dr. P.D. vom C. Hospital in M. konsultiert und dieser einen Leistenbruch diagnostiziert hatte, mit Dr. D. die Risiken der Erkrankung bei den geplanten Gastspielreisen durch Asien und Europa besprochen. Sie sind gemeinsam zu dem Schluss gekommen, dass bei Beachtung "gewisser Vorsichtsmaßnahmen" Herr D. diese Tourneereisen als Dirigent bestreiten könne. Nachdem sich seine gesundheitlichen Beschwerden während der Asien-Tournee verstärkt hatten, hat C.D. mit E-Mail v. 11.3.2001 (Anlage B 11) einen Mitarbeiter des ONF, K., gebeten, vertraulich zu prüfen, welche Lösungen es für seine krankheitsbedingte Ersetzung als Orchesterleiter für die Deutschland-Tournee gäbe (Anlage B 10, deutsche Übersetzung: Anlage B 11) und mit E-Mail an K. v. 13.3.2001 (Anlage B 8, deutsche Übersetzung: Anlage B 9) seine Teilnahme an den für Ende März geplanten Konzerten in Deutschland, endgültig abgesagt.
Am Vormittag des 14.3.2001 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass Herr D. einen Bandscheibenvorfall (in Wahrheit: Leistenbruch) habe und am 21.3.2001 in M. operiert werde. Er könne das Konzert nicht dirigieren. Mit einer am 15.3.2001 um 10.31 Uhr übermittelten E-Mail (Anlage K 6) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass das ONF sich entschieden habe, das Konzert abzusagen. Die Beklagte bot einen Nachholtermin im November 2001 an.
Die Klägerin hat das für den 24.3.2001 geplante Konzert ersatzlos abgesagt. Die geplante Aufführung in Köln wurde mit der Sinfonia Varsovia und dem Dirigenten Jan K. und eigenem Programm als Ersatz anstelle der mit dem ONF geplanten Aufführung durchgeführt.
Das ONF hat das Konzert in Paris mit dem Dirigenten A.F. und das Konzert in Le Havre mit dem Dirigenten Kr. durchgeführt.
Die Klägerin, eine Konzertagentur mit 6 Mitarbeitern, macht als Schadensersatz insgesamt 80.654,60 DM geltend. Dieser Betrag setzt sich aus folgenden Einzelpositionen zusammen:
Miete Großer Saal Alte Oper 18.297 DM
Erstellung des Textes für das Abendprogramm 180 DM
Druckkosten Abendprogramm 1.579,32 DM
Layoutkosten Plakat 319 DM
Plakatdruck 1.080,13 DM
Plakatüberkleber 348 DM
Anzeigenkosten 2.162,44 DM
Porti für Benachrichtigung Abonnenten und Einzelkartenkäufer 811,80 DM
Bankspesen für Rücküberweisungen 133,80 DM
Gemeinkostenanteil pro Konzert 42.144,29 DM
Entgangener Gewinn 13.598,90 DM
Die Klägerin hat vorgetrage...