Leitsatz (amtlich)

Die bloße Möglichkeit, dass sich eine Sterilitätsursache im Körper des klagenden Versicherungsnehmers (hier: Mann) befinden kann, reicht zur Annahme des Versicherungsfalls nicht aus. Die Unaufklärbarkeit der Frage, ob eine Krankheit in der Person des Klägers (was auch eine Unfruchtbarkeit aus unbekannter Ursache sein kann) gegeben ist, geht nach den Regeln über die Beweislastverleitung zu Lasten des Klägers.

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 21.09.2006; Aktenzeichen 26 O 14248/05)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 15.09.2010; Aktenzeichen IV ZR 187/07)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des LG München I vom 21.9.2006 abgeändert und die Klage abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Das Urteil wird gem. § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO durch Aufnahme der Darlegungen zu Protokoll begründet. Die Darlegungen werden dem Protokoll als Anlage beigefügt und sind dessen wesentlicher Bestandteil.

Das soeben verkündete Urteil wird gem. § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO begründet wie folgt:

 

Gründe

Auf die tatsächlichen Feststellungen des LG im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Die gestellten Anträge ergeben sich aus dem vorliegenden Protokoll.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klage ist unbegründet.

Das LG hat der Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Erbringung von Leistungen aus einer privaten Krankenversicherung im Zusammenhang mit reproduktionsmedizinischen Behandlungsmaßnahmen mit der Begründung stattgegeben, der Kläger sei nachgewiesenermaßen hinsichtlich seiner Fortpflanzungfähigkeit krank, es liege eine organisch bedingte Sterilität beim Kläger vor.

Fehlende Fortpflanzungsfähigkeit - vorausgesetzt, sie beruht nicht auf Altersgründen, was im zu entscheidenden Fall aber ausscheidet - wird bei Ehepartnern als bedingungsgemäße Krankheit angesehen, wenn sie auf einer biologischen Beeinträchtigung von Körperfunktionen beruht (BGH v. 17.12.1986 - IVa ZR 78/85, MDR 1987, 390 = VersR 1987, 278). Zu beachten ist, dass nicht die Kinderlosigkeit, sondern nur die organische Ursache derselben eine Krankheit im Sinne der MB/KK darstellt. Solche organischen Störungen - und damit eine bedingungsgemäße Krankheit sind beim klagenden Ehemann entgegen der Auffassung des Erstgerichts nicht nachgewiesen.

Der Gerichtssachverständige Prof. Dr. K hat in seinem Ergänzungsgutachten vom 28.5.2006 (Bl. 113/122 d.A.) wörtlich ausgeführt: "Über organisch/körperlich bedingte Gesundheitseinschränkungen beim Kläger, die eindeutig fertilitätsrelevant waren, ist den Unterlagen nichts zu entnehmen."

Der vorliegende Fall weist folgende Besonderheit auf. Der Kläger und seine Ehefrau haben nach jahrelanger Kinderlosigkeit eine medizinische Behandlung erwogen. Noch bevor diese einsetzte, wurde die Ehefrau im Frühjahr 2004 unstreitig auf natürlichem Wege (spontan) vom Kläger schwanger. Zwischen dem Eintritt der Schwangerschaft ohne medizinische Therapie und dem Beginn der ersten Inseminationsbehandlung lagen ca. 6 Monate. Zu der letzten ICSI-Behandlung bestand ein Abstand von ca. anderthalb Jahren. Der Sachverständige bewertet den Eintritt einer spontanen Schwangerschaft einleuchtend als Nachweis dafür, dass zum damaligen Zeitpunkt keiner der beiden Ehepartner, also auch nicht der Kläger, steril war. Er hält es aber für möglich, dass in der Folgezeit diesbezüglich Veränderungen eingetreten sind. Hierzu führt es aus: "In dieser Zeitspanne kann sowohl auf männlicher, als auch auf weiblicher Seite eine fertilitätsrelevante Änderung des Gesundheitszustandes eingetreten sein." Explizit hält er es bei der Ehefrau des Klägers für möglich, dass es bei dieser z.B. im Zusammenhang mit ihrer Fehlgeburt zu fertilitätsrelevanten Komplikationen gekommen ist.

Im vorliegenden Fall wurde die medizinische Behandlung offenkundig deshalb eingeleitet, um die Chancen für eine Konzeption zu erhöhen und nicht, um sie überhaupt erst zu ermöglichen.

Die bloße Möglichkeit, dass sich eine Sterilitätsursache im Körper des Klägers befinden kann, reicht zur Annahme des Versicherungsfalls nicht aus. Die Unaufklärbarkeit der Frage, ob eine Krankheit in der Person des Klägers (was auch eine Unfruchtbarkeit aus unbekannter Ursache sein kann) gegeben ist, geht nach den Regeln über die Beweislastverleitung zu Lasten des Klägers.

Das LG schließt aus dem Umstand, dass bei der Ehefrau des Klägers keine fertilitätsrelevanten organisch/körperlichen Einschränkungen gefunden wurden, beim Kläger aber einige Ejakulatsanalysen nicht mit Normbereich lagen, darauf, dass beim Kläger eine organische Erkrankung vorliegen müsse. Das ist in zweierlei Hinsicht nicht überzeugend. Soweit man ...

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