Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 12.08.2016; Aktenzeichen 6 O 2889/16)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG München I vom 12.08.2016, Az. 6 O 2889/16, wird zurückgewiesen.

2. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des LG München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht als Pflichtteilsberechtigter im Wege der Stufenklage Ansprüche gegen die Beklagte als Erbin geltend. Die Beklagte ist die Ehefrau des Erblassers, der Kläger ein Sohn. Mit Erbvertrag vom 11.11.2003 (Anlage K 1) und Nachtrag vom 19.03.2012 (Anlage K 3) setzten der Erblasser und die Beklagte sich gegenseitig als Alleinerben nach dem Tod des Erstverstrebenden und als Schlusserben den anderen Sohn der Beklagten und dessen Tochter ein. Die Beklagte übersandte mit Schreiben vom 19.02.2015 (Anlage K 6) dem Kläger ein Nachlassverzeichnis mit Belegen und erteilte mit Schreiben vom 14.04.2015 weitere Auskünfte über den Nachlass.

Der Kläger behauptet, die erteilten Auskünfte seien lückenhaft.

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft zu erteilen über den Bestand des Nachlasses (Aktiva und Passiva) des am 01.09.2014 verstorbenen Erblassers, Siegfried Rudolf M., zum Todestag durch Vorlage eines durch einen Notar aufgenommenen Verzeichnisses, bei dessen Aufnahme der Kläger und sein Rechtsbeistand hinzuziehen sind, hilfsweise dass das durch den Notar aufgenommene Verzeichnis im Falle der Dürftigkeit des Nachlasses auf Kosten des Klägers erstellt wird.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, sie habe bereits vollständig über den Nachlass Auskunft erteilt. Zudem sei der Nachlass überschuldet und das Vorgehen des Klägers rechtsmissbräuchlich.

Das LG, auf dessen tatsächliche Feststellungen nach § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat die Beklagte durch Teilurteil verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen über den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines durch einen Notar auf Kosten des Klägers aufgenommenen Verzeichnisses, bei dessen Aufnahme der Rechtsbeistand des Klägers anwesend ist. Im Übrigen hat das LG die Klage hinsichtlich des Klageantrags zu 1. (Auskunftserteilung) abgewiesen. Die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs sei nicht rechtsmissbräuchlich. Allerdings führe die Erhebung der Dürftigkeitseinrede durch die Beklagte dazu, dass das notarielle Nachlassverzeichnis auf Kosten des Klägers zu erstellen sei.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Der Antrag des Klägers sei rechtsmissbräuchlich, da die Beklagte die Auskünfte schon erteilt habe und ein notarielles Nachlassverzeichnis keine höhere Gewähr für die Richtigkeit biete. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, die Dürftigkeit des Nachlasses durch Erstellung eines Inventarverzeichnisses oder durch eine eidesstattliche Versicherung nachzuweisen. Der Kläger habe auch dann keinen Anspruch auf ein notarielles Verzeichnis, wenn er sich bereit erkläre, die Kosten dafür zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt daher:

Das Teilurteil des LG München I, Az. 6 O 2889/16, vom 12.08.2016 wird aufgehoben, soweit die Beklagte verurteilt wurde, dem Kläger Auskunft zu erteilen über den Bestand des Nachlasses des am 01.09.2014 verstorbenen Erblassers Siegfried Rudolf M. zum Todestag durch Vorlage eines durch einen Notar auf Kosten des Klägers aufgenommenen Verzeichnisses, bei dessen Aufnahme der Rechtsbeistand des Klägers hinzuzuziehen ist. Der Antrag auf Auskunft wird abgewiesen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das landgerichtliche Urteil.

Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.04.2017 Bezug genommen.

II. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, verbleibt aber in der Sache ohne Erfolg.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist die Berufungssumme nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erreicht. Auf den Beschluss des Senats vom 04.01.2017 (Bl. 74 ff dA) wird Bezug genommen.

2. Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

2.1. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Erteilung eines notariellen Verzeichnisses aus § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB zu.

2.1.1. Der Kläger ist unstreitig Pflichtteilsberechtigter, die Beklagte die Alleinerbin.

2.1.2. Das Verlangen des Klägers ist nicht rechtsmissbräuchlich.

2.1.2.1. Der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf Vorlage eines notariellen Verzeichnisses wird nicht dadurch berührt, dass der Erbe bereits ein privates Verzeichnis vorgelegt hat. Vielmehr kann der Pflichtteilsberechtigte die Ansprüche auf Erteilung eines privaten und eines notariellen Verzeichnisses neben- oder hintereinander geltend machen (BGH NJW 1961, S. 602, 604; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2007, S. 881f; Müller in Beckscher Online-Kommentar BGB, Stand 01.08.2016, § 2314 Rz. 22; Weidlich in Palandt, BGB, 76. Aufl, § 2314 Rz. 7). Das Verla...

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