Entscheidungsstichwort (Thema)
Abberufung eines Vorstandsmitglieds wegen zerrütteten Vertrauensverhältnisses zu Vorstandskollegen und Aufsichtsrat
Leitsatz (amtlich)
Nimmt ein Rechtsanwalt für ein Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft ein Mandat wahr, liegt kein Verstoß gegen § 45 II Nr. 2, Abs. 3 BRAO vor, wenn er nach Beendigung dieses Mandats in den Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft berufen wird.
Thematisiert ein Vorstandsmitglied gegenüber dem Aufsichtsrat immer wieder mögliche Gesetzesverstöße seiner Vorstandskollegen, bedeutet dies noch nicht, dass er unter Missachtung der sich hierfür aus § 111 AktG ergebenden Zuständigkeit des Aufsichtsrats eigene Ermittlungen vorgenommen hat.
Nicht jede ernsthafte Kritik oder Auseinandersetzung im Vorstand kann dazu führen, das kritikübende Vorstandsmitglied wegen einer fehlenden Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit abzuberufen.
Wie ein Vorstandsmitglied mit dem Aufsichtsrat kommuniziert, um seiner Verpflichtung zur unbedingten Offenheit nachzukommen, bleibt ihm überlassen, so dass er sich hierfür auch eines Rechtsanwalts bedienen darf, ohne dass hieraus Rückschlüsse auf ein gestörtes Vertrauensverhältnis gezogen werden können.
Normenkette
AktG § 84 Abs. 3, 3, § 111; BRAO § 45 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3, 2 Nr. 2, Abs. 1 Nr. 4
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 29.05.2015; Aktenzeichen 5 HKO 15118/14) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG München I vom 29.5.2015, Az. 5 HK O 15118/14 aufgehoben.
2. Der Beschluss des Aufsichtsrates der Beklagten vom 26.4.2014 über die Abberufung des Klägers als Vorstand wird für unwirksam erklärt und die Bestellung des Klägers zum Vorstand der DEV. E. P. AG wiederhergestellt.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Abberufung des Klägers aus dem Vorstand der Beklagten.
Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft, deren Unternehmensgegenstand in der unmittelbaren oder mittelbaren Tätigkeit auf dem Gebiet der Entwicklung, der Herstellung und des Vertriebs von Erzeugnissen und der Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Informationstechnologie, insbesondere Entwicklung und Vertrieb integrierter Produkt-, Prozess- und Dienstleistungslösungen liegt. Die Satzung der Beklagten (Anlage K 4) enthält hinsichtlich des Aufsichtsrates u.a. folgende Regelung:
"§ 9 Aufgaben, Zusammensetzung, Amtsdauer ...
(7) Soweit T. A. über vinkulierte Namensaktien verfügt, hat er das persönliche Recht, ein Drittel der Aufsichtsratsmitglieder zu entsenden ..."
Daneben hatten alle Aktionäre der Beklagten eine satzungsergänzende Nebenabrede (Anlage K 3) abgeschlossen, die alle Aktionäre, auch der Kläger, unterschrieben hatten.
Hinsichtlich der näheren Einzelheiten der Satzung und der Fassung der satzungsergänzenden Nebenabrede wird auf die Anlagen K 4 und K 3 Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 25.1.2014 (Anlage K 2) bestellte der Aufsichtsrat der Beklagten den Kläger zum Vorstand, nachdem die Hauptversammlung zuvor Herrn Prof. Dr. Ralf W., Herrn Dr. Michael S. und Herrn Dr. Ulrich N. in den Aufsichtsrat gewählt hatte. In der nach der Hauptversammlung vom 25.1.2014 stattfindenden konstituierenden Sitzung des Aufsichtsrates konfrontierte der schon zuvor im Aufsichtsrat tätige Dr. N. die beiden anderen Aufsichtsratsmitglieder mit dem Entwurf einer Strafanzeige und dem Vorwurf von Pflichtverstößen der bisherigen Vorstandsmitglieder A. K., B. A. und T1. M. Der Entwurf der Strafanzeige betraf insbesondere Vorgänge bei der Übertragung von Software und der sich hieraus ergebenden Rechte der ... H. GmbH und der Beklagten auf die E. GmbH und die Statuierung eines Erwerbsrechtes für Herrn T. A. sowie Rechnungen der Firmen Küchen H. und ..., die von dem Tochterunternehmen ... H. GmbH beglichen wurden, bei denen der Verdacht bestanden haben solle, Herr T. A. und Frau B. A. hätten sich private Vorhaben finanzieren lassen.
Der Aufsichtsrat berief in der Sitzung vom 25.1.2014 die Vorstandsmitglieder A. K., B. A. und T1. M. mit sofortiger Wirkung aus dem fünfköpfigen Vorstand der Beklagten ab.
Am 27.2.2014 erstattete die vom Aufsichtsrat mit der Durchführung von Ermittlungen beauftragte Firma E. den Bericht über das Ergebnis der Recherchen (Anlage K 8). Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des Berichts wird auf die Anlage K 8 Bezug genommen.
In der Sitzung vom 10.4.2014 beschloss der Aufsichtsrat, die Vorwürfe abschließend zu ermitteln. Ferner forderte der Aufsichtsrat den Kläger auf, sich darüber zu erklären, ob er ein Ausstiegsszenario verfolge oder weiterhin bereit sei, sich in der Firma zu engagieren, also sich zu "c...