Leitsatz (amtlich)

1. Ein eingetragener Verein nimmt als Zweckschöpfung des Rechts nur in eingeschränktem Umfang an dem durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Persönlichkeitsbereich teil.

2. Einem eingetragenen Verein steht grundsätzlich ein Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht zu.

 

Normenkette

BGB §§ 253, 823

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 9 O 3956/02)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des LG München I, 9. Zivilkammer, vom 27.11.2002 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Frage, ob dem klagenden Verein ein Anspruch auf Geldentschädigung wegen jahrelanger, nach Auffassung des Klägers rechtswidriger und schwerwiegender, Angriffe des Sektenbeauftragten der beklagten Landeskirche zusteht.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des LG im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO).

Das LG hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit welcher er Aufhebung des Ersturteils und Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer der Höhe nach in das Ermessen des Senats gestellten Geldentschädigung erreichen will.

 

Entscheidungsgründe

I. Im Tatbestand sind die Berufungsanträge sinngemäß wiedergegeben, obwohl dies – entgegen der Auffassung des 8. Zivilsenats des BGH (BGH, Urt. v. 26.2.2003 – VIII ZR 262/02, MDR 2003, 765) – nicht erforderlich wäre. Die gesetzliche Regelung in § 540 ZPO ist klar und eindeutig. Sie verlangt die Wiedergabe dieser Anträge nicht. Diese lassen sich ohne weiteres aus dem letzten Sitzungsprotokoll entnehmen. Die Aufnahme in das Urteil bedeutet unnötiges Schreibwerk.

II. Der Senat hält die Auffassung des LG zum Grund des Anspruchs für zutreffend und nimmt auf das angefochtene Urteil Bezug. Dies gilt auch, wenn man den strengen Maßstab für Äußerungen öffentlich-rechtlicher Kirchen zugrunde legt, wie er im Urteil des BGH (BGH, Urt. v. 20.2.2003 – III ZR 224/01, NJW 2003, 1308) dargelegt ist. In der für ein Berufungsurteil gesetzlich vorgeschriebenen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO) und auch zulässigen (BVerfG NJW 1996, 2785; NJW 1999, 1387 [1388]) Kürze – die sich auch daraus erklärt, dass die Sache in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat umfassend diskutiert wurde (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 313 Rz. 27) – ist Folgendes auszuführen:

1. Der Kläger nimmt als eingetragener Verein und damit als juristische Person an dem durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Persönlichkeitsbereich in dem Umfang teil, wie er sich aus ihrem Wesen als Zweckschöpfung des Rechts und den ihr zugewiesenen Funktionen ergibt (BGH LM § 823 (Ai) BGB Nr. 38 = NJW 1970, 378 – Sportkommission; AfP 1974, 702 = NJW 1974, 1762 – Deutschlandstiftung; v. 8.7.1980 – VI ZR 177/78, BGHZ 78, 24 = MDR 1981, 41 = NJW 1980, 2807 – Medizin-Syndikat I; OLG München AfP 1976, 130 – Lockheed; v. 12.7.1996 – 21 U 4775/95, OLGReport München 1996, 217 – Ich klage an; vgl. auch BVerfG v. 9.10.2002 – 1 BvR 1611/96, AfP 2003, 36 = NJW 2002, 3619 – Mithören am Telefon – zu Leitsatz 4; Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., Art. 2 Rz. 9, 39, Art. 19 Rz. 13 f.). Geschützt ist damit die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung (BVerfG v. 25.1.1984 – 1 BvR 272/81, BVerfGE 66, 116 [130] = MDR 1984, 729 = AfP 1984, 94 = NJW 1984, 1741 – Der Aufmacher; v. 3.5.1994 – 1 BvR 737/94, AG 1994, 369 = GmbHR 1994, 476 = NJW 1994, 1784 – Bilanzanalyse) und im vorliegenden Fall die Ausübung von Funktionen als Rechtsträger der Glaubensgemeinschaft (vgl. hierzu Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., Art. 4 Rz. 19). Hier geht es allerdings nur um einen Schutz der durch die Tätigkeit des Klägers erworbenen sozialen Geltung, also um reinen Rufschutz (Kau, Vom Persönlichkeitsschutz zum Funktionsschutz, 1989, S. 102 und passim). Dieser geschützte Bereich ist betroffen, wenn die juristische Person zu einem Objekt herabwürdigender Kritik gemacht wird (BGH AfP 1975, 911 = NJW 1975, 1882 – Geist von Oberzell; BGH v. 3.6.1986 – VI ZR 102/85, BGHZ 98, 94 = MDR 1986, 925 = NJW 1986, 2951 – BMW).

2. Hieraus folgt aber kein Anspruch auf Geldentschädigung. Ein solcher Anspruch kommt wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und grundsätzlich dann in Betracht, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und dieser Eingriff nicht auf andere Weise befriedigend ausgeglichen werden kann. Bei einer solchen Entschädigung handelt es sich – entgegen der früheren Rspr. des BGH – nicht eigentlich um ein „Schmerzensgeld” nach § 847 BGB a.F. (nunmehr § 253 Abs. 2 BGB), sondern um einen Rechtsbehelf eigener Art, der auf den Schutzauftrag aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG zurückgeht (vgl. B...

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