Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 09.05.2016; Aktenzeichen 19 O 20834/14)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin vom 16.06.2016 wird das Endurteil des LG München I vom 09.05.2016 (Az. 19 O 20834/14) in Nr. I. bis III. abgeändert und wie folgt neu gefasst:

I. Die Beklagten werden verurteilt, samtverbindlich an die Klägerin 6.635,32 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.08.2011 zu bezahlen.

II. Die Beklagten werden verurteilt, samtverbindlich die Klägerin von den Vergütungsansprüchen ihrer prozessbevollmächtigten Rechtsanwälte für deren außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 507,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.10.2012 freizustellen.

III. Die Beklagten tragen samtverbindlich die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das vorgenannte Urteil des LG sowie dieses Urteil sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313a I 1 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

B. Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.

I. Das LG hat zu Unrecht eine Mithaftung der Klägerin wegen der von den Insassen geöffneten Tür angenommen. Nach dem erstmals in zweiter Instanz vorgelegten Leasingvertrag war der Mitarbeiter der Klägerin, der Zeuge B., der auch Fahrer des Pkw der Klägerin zum Unfallzeitpunkt war, Halter (vgl. Ziffer I.4 der Mietbedingungen Konzernangehörige) des Fahrzeugs und ausweislich der Betätigung des Landratsamtes (Anlage K 9) war das Fahrzeug auch auf ihn zugelassen. Der Inhalt der Leasingbedingungen und die Richtigkeit der behördlichen Auskunft sind zwischen den Parteien nicht streitig, weshalb schon deshalb eine Präklusion nicht in Betracht kommt (BGH MDR 2010, 649); überdies hat das LG die in erster Instanz von den Parteien thematisierte Frage, ob die Klägerin nur Eigentümerin oder auch Halterin des Pkw ist, übersehen, § 531 II Nr. 1 ZPO. Weiter wurde der Pkw der Klägerin unstreitig beim Betrieb des bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw des Beklagten zu 1), der zugleich dessen Fahrer war, beschädigt, §§ 7 I, 18 I StVG, 115 I 1 Nr. 1 VVG. Die Schadenshöhe ist zwischen den Parteien nicht streitig und eine Anspruchskürzung wegen Mitverursachung oder Mitverschulden scheidet aus.

Da nicht von einer Haltereigenschaft der Klägerin auszugehen ist (entsprechend der üblichen Vertragsgestaltung bei Leasingverträgen), gilt Folgendes:

Die Leasinggeberin muss sich weder ihrem Schadensersatzanspruch wegen unfallbedingter Verletzung ihres Eigentums am Leasingfahrzeug aus § 823 BGB noch aus § 7 StVG dessen Betriebsgefahr anspruchsmindernd zurechnen lassen, da es hierfür keine Zurechnungsnorm gibt (vgl. BGHZ 173, 182 ff OLG; Karlsruhe MDR 2014, 152). Eine Zurechnung eines etwaigen Verschuldens des Fahrzeugführers oder der Beifahrerin scheidet ohnehin aus, da eine Zurechnungsnorm, etwa §§ 278, 831 BGB nicht eingreift.

Das OLG Karlsruhe führt in der genannten Entscheidung u.a. aus:

"§ 17 Abs.2 StVG kommt nicht in Betracht, da diese Vorschrift die Haftungsverteilung der Halter untereinander regelt. Der Bundesgerichtshof hat in der oben zitierten Entscheidung auch in Ansehung der Änderung des § 17 Abs. 3 S. 3 StVG durch das 2. Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19.7.2002 an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten, die eine Erstreckung der Anwendung des § 17 StVG auf den Eigentümer, der nicht Halter ist, wegen des eindeutigen Wortlauts des § 17 Abs.1, Abs.2 StVG ablehnt (vgl. BGH aaO., 186 f.; vgl. auch Wagner, Deliktsrecht, 12. Aufl. 2013, S. 224 Rn. 564). Mit der Gesetzesänderung sei vom Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien, aus denen ein Bewusstsein für das mögliche Auseinanderfallen von Halter- und Eigentümerstellung gerade beim Leasing hervorgehe, keine durchgehende Gleichstellung von Eigentümer und Halter, sondern nur für den geregelten Fall des unabwendbaren Ereignisses, angestrebt worden.

Die Haltereigenschaft der Leasinggeberin ist jedoch vorliegend weder vorgetragen noch gibt es Anhaltspunkte hierfür. Bei üblicher Gestaltung des Leasingvertrags ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH der Leasingnehmer, nicht jedoch der Leasinggeber Halter des Leasingfahrzeugs (vgl. BGHZ 87, 133, 135 f.; BGH VersR 1986, 169).

Auch §§ 9 StVG, 254 BGB scheiden als Zurechnungsnormen aus.

Im Rahmen der deliktischen Haftung scheitert eine direkte Anwendung des § 9 StVG bereits daran, dass sich die Norm unmittelbar nur auf Ansprüche aus der straßenverkehrsrechtlichen Gefährdungshaftung, damit gerade nicht auf deliktische Schadensersatzansprüche bezieht (vgl. König in Hentschel/König/Dauer: Straßenverkehrsrecht, 42. Auflage 2013, StVG § 9 Rn.17, 24 m.w.N.).

Auch eine analoge Anwendung kommt mangels Regelung...

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