Entscheidungsstichwort (Thema)
Zahnärztliche Aufklärung über einen beabsichtigten Materialwechsel
Normenkette
BGB § 823
Verfahrensgang
LG Landshut (Urteil vom 20.12.1999; Aktenzeichen 24 O 2330/98) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Landshut vom 20.12.1999 in Ziff. I dahin gehend abgeändert, dass der Beklagte verurteilt wird, an den Kläger ein Schmerzensgeld i.H.v. 2.045,17 Euro (= 4.000 DM) sowie einen weiteren Betrag i.H.v. 350 Euro jeweils zzgl. 4 % Zinsen hieraus seit 22.1.1998 zu bezahlen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und bleibt die Klage abgewiesen.
III. Die Kostenentscheidung des LG wird dahin gehend abgeändert, dass von den Kosten der ersten Instanz der Kläger 19/20 und der Beklagte 1/20 tragen; die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1. Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aus behaupteter fehlerhafter zahnärztlicher Behandlung geltend.
a) Zwischen 1986 und 1993 befand sich der bei der Barmer Ersatzkasse krankenversicherte Kläger beim Beklagten in zahnärztlicher Behandlung, zu deren Beginn er über eine teilweise erneuerungsbedürftige Brücken- und Kronenversorgung aus Gold bzw. Goldlegierungen verfügte.
Am 25.1.1988 nahm der Beklagte am Zahn 13 eine Wurzelkanalbehandlung vor. Im weiteren Verlauf des Jahres 1988 versorgte der Beklagte den Kläger durch Eingliederung mehrerer keramischer Kronen mit innenliegender Palladiumlegierung. Am 30.3.1988 überkronte er in dieser Weise neun Zähne im Oberkiefer, am 25.7.1988 drei Zähne im Unterkiefer und am 15.12.1988 einen weiteren Zahn im Unterkiefer.
Am 10.9.1991 wurde dem Kläger am Zahn 25 ein Stift eingesetzt und die dort befindliche Brücke 23–26 wieder befestigt.
Am 27.4.1993 erhielt der Kläger weitere zwei und am 8.7.1993 eine weitere Krone im Unterkiefer, die auf Wunsch des Klägers jeweils aus einer Gold-Platin-Legierung bestanden.
b) Der Beklagte klärte den Kläger vor dem Einsetzen der jeweiligen Kronen nicht über eventuelle Gefahren auf, die sich im Rahmen zahnärztlicher Behandlungen aus der Verwendung von palladiumhaltigen Legierungen im Mundraum ergeben können.
c) Noch während des Zeitraums, in dem er beim Beklagten in Behandlung war, begann der Kläger verstärkt an verschiedenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu leiden, die er insb. auf die seitens des Beklagten eingebrachten palladiumhaltigen Zahnkronen zurückführte.
So klagte der Kläger über Kopfschmerzen, Schwindelgefühle, Ohrensausen, Entzündungen im Mundbereich, Halsbeschwerden, Appetitlosigkeit, eine ausgeprägten Müdigkeit, Rückenschmerzen, Schmerzen im Oberkörper, Muskelzuckungen am gesamten Körper, Bluthochdruck, Merkfähigkeitsstörungen, eine Netzhautablösung sowie Depressionen.
Im Jahr 1995 ließ der Kläger sich deshalb von einem anderen Zahnarzt alle vom Beklagten eingesetzten Kronen entfernen; in der Folge wurden auch mehrere Zähne extrahiert, darunter die Zähne 25 und 13. Ein am Kläger durchgeführter sog. Lymphozytentransformationstest (LTT) ergab im Dezember 1995 eine erhebliche Sensibilisierung ggü. Gold und Palladium.
1996 wurde für den Kläger ein Allergiepass ausgestellt.
2.a) Der Kläger hat bereits in erster Instanz die Auffassung vertreten, der Beklagte habe ihn nicht entspr. den Regeln der zahnärztlichen Kunst behandelt.
aa) Zum einen sei dem Beklagten vorzuwerfen, dass er bei Zahn 25 einen fehlerhaften Wurzelstiftaufbau und bei Zahn 13 eine fehlerhafte Wurzelkanalbehandlung durchgeführt habe, was zum Verlust dieser beiden Zähne geführt habe.
bb) Zum anderen sei es behandlungsfehlerhaft, dass der Beklagte beim Kläger palladiumhaltige Materialien verwendet habe, und zwar eine korrosionsanfällige Palladium-Kupfer-Legierung mit einem nennenswerten Anteil von potentiell toxischem Gallium und Indium. Der Behandlungsfehler ergebe sich daraus, dass der Kläger bereits 1988 hochgradig gegen Palladium-Legierungen allergisch gewesen sei, was nachgewiesen sei durch den Test (LTT) vom Dezember 1995, so auch wiedergegeben im Allergiepass von 1996. Auch ohne Aufforderung durch den Patienten habe der Beklagte den Kläger vor Verwendung palladiumhaltiger Legierungen auf Palladiumverträglichkeit untersuchen bzw. untersuchen lassen müssen.
b) Zumindest habe der Beklagte den Kläger angesichts des damaligen Standes der wissenschaftlichen Diskussion über möglich erscheinende Risiken der Verwendung solcher Materialien aufklären müssen. Dies sei nicht geschehen, so dass der Kläger auch davon ausgegangen sei, die gewohnt gute und verlangte Versorgung zu erhalten.
Im Falle einer Aufklärung hätte er sich gegen den Einsatz palladiumhaltiger Kronen entschieden.
c) Nach Vortrag des Klägers habe er aufgrund der fehlerhaften Behandlung durch den Beklagten langjährig erduldete „multiple Beschwerden” und Schmerzen erlitten, die letztlich dazu geführt hätten, dass er seinen Beruf habe aufgeben müssen und seit 1991 eine Erwerbsunfähigkeitsrente beziehe. Infolge der fehlerhaften zahnär...