Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatzanspruch, Kaufvertrag, Fahrzeug, Rechtsanwaltskosten, Annahmeverzug, Kaufpreis, Zulassungsverfahren, Untersagung, Haftung, Vertragsschluss, Berichterstattung, Software, Kenntnis, Anspruch, positive Kenntnis, erstinstanzliche Entscheidung, Vermeidung von Wiederholungen
Verfahrensgang
LG Ingolstadt (Urteil vom 22.11.2019; Aktenzeichen 71 O 1041/19) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 22.11.2019, Az. 71 O 1041/19, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 34.142,15 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.06.2019 Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi Q3 2.0 TDI mit der Fahrgestellnummer ...55 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung des Klägers in Höhe von 1.590,01 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.06.2019 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
III. Von den Kosten der ersten Instanz tragen der Kläger 40% und die Beklagte 60%. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung durch die jeweils andere Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für die erste Instanz auf 45.850 EUR und für das Berufungsverfahren auf 35.135,01 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb eines vom sog. Dieselabgasskandal betroffenen Fahrzeugs geltend.
Mit Kaufvertrag vom 16.08.2013 (Anlage K 1) erwarb der Kläger bei dem Autohaus S. GmbH & Co KG den streitgegenständlichen neuen Audi Q3, 2.0 TDI zu einem Kaufpreis von 45.850,00 EUR.
Zum Zeitpunkt des Kaufs befand sich in dem Fahrzeug, das von der Beklagten hergestellt ist, ein von der Volkswagen AG serienmäßig produzierter Dieselmotor des Typs EA 189 (EU5) nebst einer Motorsteuerungssoftware, die erkennt, ob das Fahrzeug auf dem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus unterzogen wird. Es wird in diesem Fall in den Abgasrückführungsmodus 1, einen Stickoxidoptimierten Modus, geschaltet. In diesem Modus findet eine Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxidausstoß statt. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstandes schaltet der Motor dagegen in den Abgasrückführungsmodus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxidausstoß höher ist. Grundlage der Erteilung der Typgenehmigung sind die Abgasmessungen auf dem Prüfstand.
Die Verwendung der Software wurde dem Kraftfahrt-Bundesamt weder von der VW-AG noch von der Beklagten im Rahmen der Tests zur Erreichung der Typgenehmigung offengelegt. Erst am 22.09.2015 veröffentlichte die VW-AG eine Ad-hoc-Mitteilung, mit der Auffälligkeiten bei Fahrzeugen mit dem Motor vom Typ EA 189 eingeräumt wurden.
Nach Bekanntwerden der Softwareproblematik verpflichtete das Kraftfahrtbundesamt die Beklagte zur Entfernung der unzulässigen Abschalteinrichtung und dazu, geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen. Daraufhin wurde ein Software-Update entwickelt, welches am 23.02.2018 auf das Fahrzeug des Klägers aufgespielt worden ist.
Mit einem vorgerichtlichen Anwaltsschreiben vom 14.01.2019 erhob der Kläger die Forderung auf Rückabwicklung des Kaufvertrags unter Fristsetzung bis 21.01.2019. Die Klage wurde am 09.05.2019 bei Gericht eingereicht und der Beklagten am 13.06.2019 zugestellt.
Der Kläger vertritt die Ansicht, dass er von der Beklagten vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden sei. Der im Fahrzeug verbaute Motor sei mit Wissen des Vorstands der Beklagten mit einer Betrugssoftware versehen worden, um die Behörden über die Einhaltung der gesetzlichen Abgasgrenzwerte zu täuschen und auf diese Weise scheinbar saubere Dieselfahrzeuge in hoher Stückzahl veräußern zu können. Hierdurch hätten sich die VW-AG und die Beklagte einen unerlaubten Wettbewerbsvorteil verschafft. Die Entwicklungsabteilung der VW-AG und der Beklagten hätten nicht ohne Kenntnis des Vorstandes entschieden, die Manipulationssoftware, vor deren Einsatz im regulären Fahrbetrieb die Firma B. gewarnt habe, serienmäßig in den Motorserien der konzernangehörigen Fahrzeuge einzubauen. Auch seien aufgrund von Überkreuzregelungen im Vorstand der Beklagten und der VW-AG die wesentlichen Entscheidungen gemeinsam getroffen worden. Aufgrund der Organisationsstruktur der Beklagten sei ausgeschlossen, dass der Einsatz der Betrugssoftware nicht auf der höchsten Ebene des Unternehmens veranlasst worden sei.
Der Kläger habe dadurch ein Fahrzeug erhalten, das wegen des überhöhten Schadstoffausstoßes nicht über eine g...