Entscheidungsstichwort (Thema)

Fahrzeug, Kaufpreis, Berufung, Kaufvertrag, Rechtsanwaltskosten, Sittenwidrigkeit, Untersagung, Haftung, Antragstellung, Zulassungsverfahren, Vertragsschluss, Software, Kenntnis, Darlegungslast, Zug um Zug, nicht ausreichend, zwei Wochen

 

Verfahrensgang

LG Ingolstadt (Urteil vom 21.05.2019; Aktenzeichen 21 O 1939/17)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 25.11.2021; Aktenzeichen VII ZR 238/20)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 21.05.2019, Az.: 21 O 1939/17, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 8.861,27 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 25.01.2018 Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi Q5 mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ...69 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

III. 1. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Klagepartei 40% und die Beklagte 60%.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz trägt die Klagepartei 45% und die Beklagte 55%.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 16.099,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klagepartei macht gegen die Beklagte Ansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb eines vom sog. Dieselabgasskandal betroffenen Fahrzeugs geltend.

1. Mit Kaufvertrag vom 11.04.2014 erwarb die Klagepartei von einem Autohaus den hier streitgegenständlichen gebrauchten Audi Q5, 2.0 TDI, Euro 4, 125 kw, Erstzulassung 14.01.2009, zu einem Kaufpreis von 20.500,00 EUR brutto. Der Kilometerstand zum Zeitpunkt des Kaufs betrug 134.800 km, zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat 200.204 km. Die Nummer der EG-Typengenehmigung für das Gesamtfahrzeug lautet: ... Die Beklagte ist Herstellerin des Fahrzeugs, in dem ein Motor vom Typ EA 189 der ...-AG verbaut ist.

Die im Zusammenhang mit dem Motor verwendete Software erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wird und schaltet in diesem Fall in den Abgasrückführungsmodus 1, einen Stickoxid (NOx)-optimierten Modus. In diesem Modus findet eine Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxidausstoß statt. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstands schaltet der Motor dagegen in den Abgasrückführungsmodus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxidausstoß höher ist. Grundlage der Erteilung der Typgenehmigung waren die Abgasmessungen auf dem Prüfstand. Die Stickoxidgrenzwerte wurden nur im Abgasrückführungsmodus 1 eingehalten.

Die Verwendung der von der Beklagten als "Umschaltlogik" bezeichneten Steuerungssoftware wurde dem Kraftfahrtbundesamt weder von der ...-AG noch von der Beklagten im Rahmen der Tests bzw. Antragstellung zur Erreichung der EG-Typgenehmigung offengelegt. Erst am 22.09.2015 veröffentlichte die ...-AG eine Adhoc-Mitteilung, mit der Auffälligkeiten bei Fahrzeugen mit dem Motor vom Typ EA 189 eingeräumt wurden.

Nach Bekanntwerden der Softwareproblematik verpflichtete das Kraftfahrtbundesamt die Beklagte zur Entfernung der als unzulässige Abschalteinrichtung qualifizierten "Umschaltlogik" und dazu, geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen. Daraufhin wurde ein Software-Update entwickelt, welches auf das Fahrzeug der Klagepartei am 12.01.2017 aufgespielt worden ist.

Mit Anwaltsschreiben vom 22.12.2017 forderte die Klagepartei die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung und damit in Höhe von 16.099,00 EUR Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs auf; der Kilometerstand des Fahrzeugs als Grundlage der Berechnung der Nutzungsentschädigung war mitgeteilt worden. Es wurde eine Frist von zwei Wochen ab 22.12.2017 gesetzt.

Die Klage vom 22.12.2017, bei Gericht eingegangen am 27.12.2017, wurde der Beklagten am 24.01.2018 zugestellt. Mit der Klage forderte die Klagepartei die Verurteilung zur Zahlung von 16.099,00 EUR nebst Rechtshängigkeitszinsen Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Außerdem beantragte sie die Verurteilung zur Freistellung von der Zahlung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.149,26 EUR.

Die Klagepartei vertritt die Ansicht, dass sie von der Beklagten vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden sei. Der im Fahrzeug verbaute Motor sei mit Wissen des Vorstands der Beklagten mit einer Betrugssoftware versehen worden, um preiswerte und scheinbar saubere Dieselfahrzeuge in hoher Stückzahl veräußern zu können und gegenüber der Konkurrenz über ...

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