Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer Überschuss- und Informationsklausel einer Berufsunfähigkeitsversicherung in Bezug auf gesundheitsbewusstes Verhalten
Leitsatz (amtlich)
1. Die Klausel einer selbständigen Berufsunfähigkeitsversicherung, nach der eine fehlende oder nicht termingerechte Übermittlung von Daten über gesundheitsbewusstes Verhalten Einfluss auf die Verrechnung von Überschussanteilen hat, ist unwirksam. Denn für den verständigen und redlichen Vertragspartner ist nicht erkennbar, dass die Rabattierung durch die zu verteilenden Überschüsse begrenzt ist und dass der eigene individuelle Rabatt vom sonstigen gesundheitsbewussten Verhalten der anderen versicherten Personen abhängen kann.
2. Eine Informationsklausel benachteiligt den Vertragspartner dann unangemessen, wenn der Versicherer keine termingerechte Information über das sonstige gesundheitsbewusste Verhalten der versicherten Person erhält und den Versicherungsvertrag dann so behandelt, als hätte sich die versicherte Person nicht sonstig gesundheitsbewusst verhalten. Denn damit trägt bei kundenfeindlicher Auslegung der Klausel der Versicherungsnehmer generell das Übermittlungsrisiko, auch wenn der Versicherer eine Nichtübermittlung selbst zu vertreten hat. Dieses Risiko der Nichtinformation kann vom Versicherer aber nicht einseitig auf den Kunden abgewälzt werden.
Normenkette
BGB § 305 Abs. 1 S. 1, § 305c Abs. 2, § 307 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 3 S. 1; UKlaG §§ 1, 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1; VVG § 153 Abs. 2
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 28.01.2021; Aktenzeichen 12 O 8721/20) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 28.01.2021, Az. 12 O 8721/20, wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer I genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung hinsichtlich des Unterlassungsgebots des landgerichtlichen Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von Euro 5.000,- je Unterlassungsgebot abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um einen Unterlassungsanspruch nach dem UKlaG.
Der Kläger ist ein nach dem UKlaG klagebefugter Verbraucherverband.
Die Beklagte bietet als Versicherer Berufsunfähigkeitsversicherungen nach dem streitgegenständlichen Tarif "SBU professional V..." an, einem Teil der Produktlinie mit V...-Komponente. Diese Berufsunfähigkeitsversicherung setzt die Teilnahme an einem sogenannten G... V...-Gesundheitsprogramm voraus, das von der G... V... GmbH - wie die Beklagte ein Unternehmen der G... Gruppe - angeboten wird. Im Rahmen dieses Programms kann die versicherte Person etwa durch sportliche Aktivität und medizinische Vorsorgeuntersuchungen Punkte sammeln. Je nach Punktestand wird der Versicherungsvertrag in den sog. V...-Status Bronze Silber, Gold oder Platin eingestuft, der ab dem dritten Versicherungsjahr den Nettobeitrag mitbestimmt.
Von dieser Einstufung hängen Vergünstigungen der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Nettoprämie ab. Die reduzierte Prämie wird dabei über die Überschussbeteiligung des Versicherungsvertrags ermittelt, der Beteiligung an Überschüssen also, die entstehen, wenn die an die Versicherungsnehmer ausgekehrten Leistungen niedriger ausfallen als bei der Kalkulation angenommen. Bei dem streitgegenständlichen Modell werden diese Überschüsse allerdings nicht nur auf Grundlage des allgemeinen Risikoverlaufs verteilt, sondern auch nach dem sonstigen gesundheitsbewussten Verhalten der versicherten Person, ausweislich ihres V...-Status. Dabei kann der Bronze-Status zu +2,00 %, der Silber-Status zu + 0,75%, der Gold-Status zu -0,50% und der Platin-Status zu -1,25% führen, jeweils verglichen mit dem Nettobeitrag des Vorjahres, bei unveränderter Überschussdeklaration gegenüber dem Vorjahr.
In diesem Zusammenhang verwendet die Beklagte die Allgemeinen Bedingungen für die selbstständige Berufsunfähigkeitsversicherung in der Fassung 07.2017 (K2, nachfolgend: AVB), wobei hier folgende Regelungen den Kern der Auseinandersetzung bilden:
"§ 20 Wie sind Sie an unseren Überschüssen beteiligt?"
(...)
(4) gesundheitsbewusstes Verhalten
(...) Sofern wir keine termingerechte Information über das sonstige gesundheitsbewusste Verhalten erhalten, weil z.B. das G... V... Programm gekündigt wurde oder der Übermittlung des G... V... Status widersprochen wurde, wird Ihr Vertrag hinsichtlich dieser Überschüsse so behandelt, als hätte die versicherte Person sich ni...