Entscheidungsstichwort (Thema)
Wettbewerbsverstoß: Bio- und Traditionsangaben auf Arzneiteeverpackung
Leitsatz (amtlich)
Der Vertrieb eines Arzneitees, auf dessen Verpackung ein vom Hersteller entworfenes Bio-Siegel oder der Hinweis "Aus ökologischem Landbau" oder der Hinweis "X Arzneitee seit 1916" aufgebracht ist, verstößt gegen § 10 Abs. 1 S. 5 AMG, da es sich um Angaben handelt, die weder mit der Anwendung des Arzneimittels in Zusammenhang stehen noch für den Patienten in gesundheitlicher Hinsicht wichtig sind.
Normenkette
AMG § 10 Abs. 1 S. 5; EGRL 83/2001 Art. 62; UWG § 3a
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 12.03.2021; Aktenzeichen 37 O 2885/20) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 12.03.2021, Az. 37 O 2885/20, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass unter Ziff. 2 des landgerichtlichen Urteils der Zeitpunkt, seit dem die dort zugesprochenen Zinsen zu bezahlen sind, auf den 01.04.2020 abgeändert wird.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Endurteil des Landgerichts München I vom 12.03.2021, Az. 37 O 2885/20, sowie das vorliegende Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gemäß Ziff. 1 des Urteils des Landgerichts (Unterlassung) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,00 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe
A. Die Parteien streiten um die Zulässigkeit verschiedener Angaben auf der Verpackung von Arzneitees der Beklagten.
Der Kläger ist ein eingetragener Verein zur Förderung gewerblicher Interessen, insbesondere zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs.
Die Beklagte produziert und vertreibt Naturarzneien sowie Lebens- und Nahrungsergänzungsmittel, darunter auch Tees. Unter anderem vertreibt sie einen Pfefferminztee als Arzneitee, dessen Verpackung die aus Anlage K1 sowie unten aus dem erstinstanzlichen Antrag des Klägers ersichtliche Gestaltung aufweist.
Mit Schreiben vom 29.10.2019 (Anlage K3) hat der Kläger die Beklagte wegen der Anbringung des gelb-grünen firmeneigenen Bio-Zeichens sowie der Aufschriften "S. Arzneitee seit 1916" und "Aus ökologischem Landbau" auf der Verpackung erfolglos abgemahnt.
Der Kläger ist der Auffassung, bei dem Bio-Zeichen und den genannten weiteren Angaben handele es sich nicht um zulässige Angaben im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG, sodass ihm diesbezüglich Unterlassungsansprüche nach UKlaG und UWG zustünden.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,- und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollziehen an einem der Geschäftsführer ihrer Komplementärin, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr Arzneitees zu vertreiben, wenn auf der Verpackung ein Bio-Siegel und/oder der Hinweis "Aus ökologischem Landbau" und/oder der Hinweis "S. Arzneitee seit 1916" aufgebracht ist.
mit der Maßgabe, dass hilfsweise auf die Verletzungshandlung in nachfolgend eingelichteter Anlage K1 Bezug genommen wird.
((Abbildungen))
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 299,60 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich Klageabweisung beantragt.
Die Beklagte ist den Ansprüchen damit entgegengetreten, dass § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG im Hinblick auf Art. 62 RL 2001/83/EG (Gemeinschaftskodex Humanarzneimittel) richtlinienkonform dahingehend auszulegen sei, dass weitere Angaben zulässig seien, die nach der subjektiven Sicht des Patienten "wichtig" seien. Art. 62 RL 2001/83/EG in seiner aktuellen Fassung fordere dagegen weder, dass weitere Angaben "für die gesundheitliche Aufklärung" der Patienten wichtig sein müssten, noch, dass die Angaben "mit der Anwendung des Arzneimittels im Zusammenhang stehen" müssten. Die streitgegenständlichen Angaben auf der Verpackung der Arzneitees seien für den Patienten wichtig im Sinne des Art. 62 RL 2001/83/EG.
Darüber hinaus seien die Anbringung eines firmeneigenen Bio-Logos sowie die Angabe "Aus ökologischem Landbau" nach der ab 01.01.2022 geltenden VO (EU) 2018/848 (Öko-VO) auf der Verpackung traditioneller pflanzlicher Zubereitungen auf pflanzlicher Basis wie dem Arzneitee der Beklagten ausdrücklich erlaubt.
Zudem sei § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG im Hinblick auf die Berufsausübungsfreiheit des pharmazeutischen Unternehmers grundrechtskonform auszulegen. Ein Verbot von Angaben, die wie hier von vornherein die Anwendungssicherheit des Arzneimittels nicht gefährdeten und von welchen keinerlei Gesundheitsgefährdung ausgehe, seien mit dem Grundr...