Entscheidungsstichwort (Thema)
VOB/Vertrag: Vergütung bei Verzicht des Bestellers auf einzelne Positionen eines Einheitspreisvertrages
Leitsatz (amtlich)
1. Verzichtet der Besteller bei einem Einheitspreisvertrag entgegen der getroffenen Absprache einseitig auf vereinbarte Vertragsleistungen, so richtet sich der Vergütungsanspruch insoweit nicht nach § 2 Abs. 3 VOB/B, sondern ist wie bei einer Teilkündigung gemäß § 8 VOB/B bzw. § 648 BGB abzurechnen.
2. Wendet sich der Berufungsführer mit seiner Berufung lediglich gegen den zugesprochenen Zinsanspruch kann der Beschwerdewert nicht höher sein als die Beschwer des Berufungsführers in der Hauptsache selbst.
Normenkette
BGB § 631 Abs. 1, § 648; VOB/B § 2 Abs. 3, § 8 Abs. 2
Tenor
1. Hinweis
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 20.12.2018, Az. 3 O 4755/17 Bau, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Gründe
I. Urteil des Landgerichts München II
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von etwa 7.600 Euro nebst Zinsen verurteilt und im Übrigen im Umfang von etwa 300 Euro und weiteren Zinsen die Klage abgewiesen. Auf den Tenor wird Bezug genommen.
Das Landgericht sprach - soweit in der Berufung von Relevanz - entgangenen Gewinn (etwa 1.800 Euro) zu, weil die Beklagte zwei Leistungen aus dem Vertrag über Metallbauarbeiten nicht abgerufen habe. Dies sei als Teilkündigung zu werten und damit nach § 8 VOB/B zu vergüten. Weitere etwa 850 Euro entfielen auf Zusatzaufträge für ein Lüftungsgitter und ein Geländer. Die Beklagte könne keine Reinigungskosten über 500 Euro abziehen und der geltend gemachte Einbehalt über etwa 2.400 Euro für fehlende Dokumentation sei unschlüssig und daher nicht gerechtfertigt.
II. Berufungen
1. Die Klägerin beschränkt ihre Berufung auf die aberkannten Zinsen im Umfang von über 600 Euro.
2. Die Beklagte meint, dass das Gericht die Klage hinsichtlich der o.g. Einzelposten hätte abweisen und nur etwa 2.000 Euro zusprechen dürfen.
Hinsichtlich des entgangenen Gewinns habe das Erstgericht nicht berücksichtigt, dass die Klägerin jeweils einen Ausgleich erhalten hätte. Hinsichtlich der Zusatzaufträge hätte die Klägerin weder Regiestunden noch Aufwendungen ansetzen dürfen. Die Kosten für die Reinigung seien als Verzugsschaden abzuziehen. Ein Abzug für die fehlende Dokumentation sei gerechtfertigt, da die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass diese vollständig übergeben worden sei.
Auf die Einzelheiten der Berufungsbegründungen wird Bezug genommen.
III. Einschätzung des Senats
Aus Sicht des Senats ist die Berufung der Klägerin als Anschlussberufung zu werten. Die Berufung der Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg hat.
1. Die Berufung der Klägerin ist als Anschlussberufung zu bewerten.
Der BGH hat in einer Grundsatzentscheidung (NJW 1958, 342, kommentiert in Zöller, § 511 RNr. 32) deutlich gemacht, dass ein Verzicht auf einen Teil des Streitgegenstands den Streitwert nicht erhöhen kann. In einem fiktiven Beispiel hat der BGH klar gemacht, dass bei einem nicht revisiblen Teilunterliegen über 1 000 DM mangels Erreichens der Beschwer die Revision nicht dadurch eröffnet wird, dass unter Verzicht auf diese 1 000 DM allein die Zinsen im Umfang von 10.000 DM weiter verfolgt werden; dies "wäre widersinnig". Da die Berufung den Beschwerdewert des § 511 ZPO nicht erreicht, lebt sie als Anschlussberufung weiter, da diese beschwerdewertunabhängig ist (Zöller, § 524 RNr. 31). Als solche ist sie vom Schicksal der Berufung der Beklagten abhängig; da der Senat insoweit eine Zurückweisung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO beabsichtigt, ist eine Einschätzung zu den Erfolgsaussichten der Berufung der Klägerin entbehrlich.
2. Die Berufung der Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg.
a) Nullpositionen
In der Kommentarliteratur und Rechtsprechung ist streitig, wie sich der vollständige Verzicht auf Einzelpositionen bei einem Einheitspreisvertrag auswirkt. U. a. wird die Vorschrift des § 2 Abs. 3 VOB/B für Mengenminderungen herangezogen, z. T. wird wertend auf die Vorschriften über eine Teilkündigung zurückgegriffen.
1) Der BGH hat in der von der Beklagten zitierten Grundsatzentscheidung (BGH NJW 2012, 1348) deutlich gemacht, dass der Weg über § 2 VOB/B nur in Betracht kommt, wenn ein Fall der vom Regelungsgehalt dieser Vorschrift umfassten Äquivalenzstörung vorliegt. Der Regelungsgehalt dieser Vorschrift will einen interessengerechten Ausgleich für Mengenänderungen herbeiführen, wenn sich die anfängliche Schätzung als unzutreffend erweist. Bei Einheitspreisverträgen wird der zu erwartende Aufwand geschätzt und zur Grundlage der Preiskalkulation gemacht. Es liegt nun aber in...