Leitsatz (amtlich)
1. Ergeben sich die Gründe, auf die die Ablehnung eines Sachverständigen gestützt wird, aus dessen Gutachten, so sind die Ablehnungsgründe unverzüglich nach Kenntnis geltend zu machen, d.h. innerhalb einer den Umständen des Einzelfalls angepassten Prüfungs- und Überlegungsfrist. Der Ablauf einer zur Stellungnahme nach § 411 Abs. 4 ZPO gesetzten Frist stellt dabei regelmäßig die äußerste zeitliche Grenze dar.
2. Eigene wissenschaftliche Veröffentlichungen eines Sachverständigen oder Richters im Themenbereich des Gutachtens oder Verfahrens begründen für sich allein nicht die Besorgnis der Befangenheit.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Beschluss vom 28.02.2012; Aktenzeichen 8 O 1554/09) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer des LG Halle vom 27.1.2012 in der Form
des Nichtabhilfebeschlusses vom 28.2.2012 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.445,43 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Restwerklohnansprüche für eine Sauna. Mit Beweisbeschluss der 8. Zivilkammer - 2. Kammer für Handelssachen - des LG Halle wurde H. R. zum Sachverständigen, einem für das Sachgebiet Sauna, Solarium, Dampfbad von der Industrie- und Handelskammer öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen, bestellt, welcher der Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 13.12.2010 zuging. Nach Zustellung dieses ersten Gutachtens lehnte die Beklagte den Sachverständigen am 9.8.2011 wegen der Besorgnis der Befangenheit ab, weil der Sachverständige zugängliche Beweismittel nicht bewertet habe und sich in seinem Gutachten auf Spekulationen verlege. Außerdem fänden sich keine Hinweise auf die baulichen Anforderungen der ehemaligen Wärmeschutzverordnung, so dass er auch nicht überprüft habe, ob die entsprechenden Voraussetzungen im Streitfall eingehalten seien. Er halte Wölbungen, insbesondere das Quell- und Schwindmaß für normal, ohne die Quelle seiner Erkenntnisse anzugeben. Das LG wies dieses Ablehnungsgesuch mit Beschluss vom 11.8.2011 als unbegründet zurück, weil die Beanstandungen der Beklagten allenfalls das Gutachten entwerteten, sofern sie zuträfen, allerdings rechtfertigten Mangel an Sachkunde, Unzulänglichkeiten oder Fehlerhaftigkeit des Gutachtens für sich allein nicht die Ablehnung des Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit.
Mit Beschlüssen vom 11.8.2011 und 20.9.2011 gab das LG dem Sachverständigen auf, sich mit den Einwendungen der Beklagten im Rahmen eines schriftlichen Ergänzungsgutachtens auseinander zu setzen. Die letzte ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen ging am 1.12.2011 ein und wurde dem Beklagtenvertreter am 9.12.2011 mit der Bitte um Äußerung binnen zwei Wochen, ob eine mündliche Anhörung des Sachverständigen beantragt werde, zugestellt. Eine Frist gem. § 411 Abs. 4 S. 2 ZPO wurde nicht gesetzt. Die Beklagte nahm zum letzten Ergänzungsgutachten mit Schriftsätzen vom 21.12.2011 und 13.1.2012 Stellung.
Mit weiterem Schreiben vom 19.1.2012 lehnte die Beklagte den Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Es sei wegen der gehäuften Fehler des Gutachtens offenkundig, dass der Sachverständige sein Gutachten zu Lasten der Beklagten erstellt habe, was die Besorgnis der Befangenheit begründe. Er habe auf S. 9 seines Gutachtens ausgeführt, in gewerblich genutzten Saunakabinen sei es üblich, auf ein künstliches Be- und Entlüftungssystem zu verzichten. Dies widerspreche der Richtlinie des Deutschen Saunabundes e.V., der mindestens einen zehnfachen Luftwechsel je Stunde empfehle, woraus sich gerade die Notwendigkeit einer Zwangslüftung ergebe. Hinzu komme der erst im Ergänzungsgutachten erkennbare Gesichtspunkt, dass der Sachverständige offenbar der Lehre von Oswald folge, die dem Mängelbegriff des VII. Senates des BGH konträr sei.
Die 8. Zivilkammer des LG Halle wies mit Beschluss vom 27.1.2012 das Gesuch der Beklagten vom 19.1.2012 als unzulässig ab, weil die für die Besorgnis der Befangenheit geltend gemachten Gründe bereits durch den Beschluss der Kammer vom 11.8.2011 rechtskräftig für unbegründet erachtet worden seien.
Gegen den ihr am 2.2.2012 zugestellten Beschluss legte die Beklagte mit am 14.2.2012 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde ein und führt aus, der zur Befangenheit führende Umstand, dass der Sachverständige der Lehre von Oswald folge, habe sich am 11.8.2011 noch nicht gezeigt. Wenn ein Sachverständiger ein Werk von Oswald zu Rate ziehe, begründe dies die Besorgnis der Befangenheit, da dieser eine rechtliche Einordnung im Mängelbereich vornehme, die das Gesetz nicht kenne, weil er spezielle Baumängel als "Unregelmäßigkeiten" bezeichne.
Das LG half der Beschwerde mit Beschluss vom 28.2.2012 nicht ab und legte sie dem OLG zur Entscheidung vor.
Die Parteien hatten Gelegenheit zur Stellungnahme im Beschwerdeverfahren. Die Beklagte vertieft ihren Vortrag dahingehend, der Umstand, dass der Sachverständige e...