Leitsatz (amtlich)
Zur Strafbarkeit wegen Volksverhetzung durch einen Vergleich der Infektionsschutzmaßnahmen zur Verhinderung und Ausbreitung des Coronavirus mit dem Holocaust.
Verfahrensgang
AG Magdeburg (Entscheidung vom 13.04.2022; Aktenzeichen 13 Cs 456 Js 9793/21 (381/21)) |
LG Magdeburg (Entscheidung vom 14.12.2023; Aktenzeichen 26 Ns 456 Js 9793/21 (69/22)) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Magdeburg 6. kleine Strafkammer vom 14. Dezember 2022 - wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Magdeburg - Strafrichterin - verurteilte den Angeklagten mit Urteil vom 13. April 2022 wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen.
Mit Urteil vom 14. Dezember 2022 verwarf das Landgericht Magdeburg - 6. kleine Strafkammer - die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten als unbegründet.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der am selben Tag eingelegten Revision, die mit der allgemeinen Sachrüge begründet worden ist.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Zuschrift vom 14. März 2023 beantragt, die Revision des Angeklagten als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die gemäß §§ 333, 341 Abs. 1, 344, 345 StPO zulässige und mit der Sachrüge ordnungsgemäß begründete Revision des Angeklagten ist unbegründet.
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
"Der Angeklagte und seine Ehefrau traten zu Beginn des Jahres 2021 im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie als (Mit-)organisatoren der Kundgebungsreihe "Recht auf selbstbestimmtes Leben" in ... auf, die sich gegen die erlassenen Corona-Schutzmaßnahmen und insbesondere gegen die Einschränkungen für ungeimpfte Personen richtete.
Am 13. Februar 2021 fand eine solche Kundgebung zwischen 14.30 Uhr und 16.30 Uhr auf dem D. in ... statt. Der Angeklagte übernahm nach einem Redebeitrag seiner Ehefrau das Mikrofon und erklärte sinngemäß, dass seine Frau und er sich für einen bestimmten Zeitraum von der Organisation der Kundgebungsreihe zurückziehen würden. Dabei äußerte er wörtlich: " ... auch wenn wir manchmal nicht da sind, äh, die Organisation läuft weiter und unsere Veranstaltung, unsere Demos zu diesem, ja ich sage mal fast Holocaust, den man hier uns betreibt, wird weitergehen. Danke."
Nach den weiteren Feststellungen des Urteils hat der Angeklagte, wie auch schon vor dem Amtsgericht, in der Hauptverhandlung angegeben, die Äußerungen wie festgestellt getätigt zu haben. Er habe die Äußerung so getätigt, da er als Ungeimpfter Ängste gehabt habe und noch habe, dass mit den Corona-Maßnahmen eine Entwicklung zu Lasten ungeimpfter Personen stattfinde, die diese aus dem alltäglichen Leben ausschließe und diskriminiere, wie dies auch in den Jahren unter der nationalsozialistischen Herrschaft mit der jüdischen Bevölkerung und auch Angehörigen anderer Gruppierungen, wie etwa Homosexuellen, geschehen sei. Die nationalsozialistischen Verbrechen, mit denen er sich eingehend befasst habe, habe er damit nicht verharmlosen wollen.
Das Landgericht hat durch das Handeln des Angeklagten den Tatbestand der Volksverhetzung als erfüllt angesehen, da er durch den Vergleich der Infektionsschutzmaßnahmen zur Verhinderung einer Ausbreitung des Coronavirus mit den von den Nationalsozialisten getroffenen Maßnahmen zur Durchführung des Holocausts unmissverständlich zum Ausdruck bringe, dass er sich in vergleichbarer Weise öffentliche gebrandmarkt, ausgegrenzt, rechtlos gestellt, verfolgt und existentiell bedroht fühle. Ein derartiger Vergleich entbehre jedoch offenkundig jeglicher Tatsachengrundlage, denn die Situation jüdischer Bürger und der Herrschaft des Nationalsozialismus sei auch nicht ansatzweise mit der Situation ungeimpfter Personen vergleichbar und bagatellisiere die Qualität der damals begangenen Gräueltaten. Andere, nicht strafbare, Deutungsmöglichkeiten kämen nicht in Betracht.
2. Durch die oben genannte Äußerung hat sich der Angeklagte entsprechend den Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift auch nach Auffassung des Senats der Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 3 StGB strafbar gemacht.
Der Angeklagte hat durch die oben geschilderte Äußerung eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, in einer öffentlichen Versammlung verharmlost.
a. Für die rechtliche Würdigung eines Äußerungsdelikts kommt es mit Blick auf Art. 5 Abs. 1 GG auf den inhaltlichen Gesamtaussagewert der Äußerung an. Dieser ist aus Sicht eines verständigen Zuhörers durch genaue Textanalyse unter Berücksichtigung der Begleitumstände zu ermitteln. Bei mehrdeutigen Äußerungen darf nicht allein die zur Verurteilung führende Bedeutung zugrunde gelegt werden, ohne die anderen möglichen Deutungen mit nachvollziehbaren Gründen ausgeschlossen zu haben (BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 2005, Az.: 1 BvR 1696/98; BGH, Urteil vom 20. September 2011, Az.: 4 StR 129/11...