Entscheidungsstichwort (Thema)
Wertung des Besuchs einer Berufsfachschule als allgemeiner Schulbesuch i.S.d. § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB
Leitsatz (amtlich)
Der Besuch einer einjährigen Berufsfachschule ist als allgemeiner Schulbesuch i.S.d. § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB zu werten, wenn der Unterhaltsberechtigte nicht über einen Hauptschul-abschluss verfügt und diesen durch den Besuch der Berufsfachschule erreichen kann.
Normenkette
BGB § 1603 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
AG Magdeburg (Beschluss vom 06.03.2008; Aktenzeichen 211 F 351/08) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des AG Magdeburg vom 6.5.2008 - 211 F 351/08 UK, zum Teil abgeändert und dem Beklagten, jeweils unter Beiordnung von Rechtsanwalt S. zu seiner Vertretung, insoweit Prozesskostenhilfe für das einstweilige Anordnungsverfahren und das Klageverfahren in erster Instanz bewilligt, als er sich gegen den Klageanspruch für die Zeit von Februar bis Juli 2008 wendet.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die gemäß den §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gem. § 569 ZPO i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO eingelegte sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den ihm für die Rechtsverteidigung gegen Klage und einstweilige Anordnung generell Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des AG Magdeburg vom 6.5.2008 (Bl. 97/98 d.A.) ist in der Sache zeitlich zum Teil begründet.
Entgegen der Annahme des AG verspricht die Rechtsverteidigung des - subjektiv zweifelsfrei uneingeschränkt der Prozesskostenhilfe bedürftigen - Beklagten für die Zeit ab Februar bis Ende Juli dieses Jahres auch wenigstens hinreichende Aussicht auf Erfolg, deren es, in objektiver Hinsicht, für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe gem. § 114 Satz 1 ZPO bedarf (1), während es für die Folgezeit mit der Entscheidung des AG sein Bewenden hat (2).
1. Der Rechtsverteidigung des volljährigen Beklagten kann eine zumindest hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.d. § 114 Satz 1 ZPO nicht abgesprochen werden, soweit er sich bis Ende Juli dieses Jahres gegen die Klage und die zugleich beantragte einstweilige Anordnung, beides gerichtet auf einen vollständigen Wegfall der bislang über 100 EUR titulierten väterlichen Unterhaltspflicht ab Februar 2008, verteidigt.
Allein der Umstand, dass der verklagte Sohn Mitte Januar dieses Jahres volljährig geworden ist, reicht nicht aus, um in der Folgezeit eine gesetzlich vermutete Leistungsfähigkeit des Klägers gem. § 1603 BGB verneinen zu können, da der Beklagte sich noch, unter Zubilligung einer angemessenen Übergangsfrist, bis Ende Juli dieses Jahres in der - insoweit allein kontroversen - allgemeinen Schulausbildung befunden hat und damit als privilegierter Volljähriger i.S.d. § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB den minderjährigen Kindern nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB gleichsteht. Denen gegenüber kann sich der Kläger infolge seiner gesteigerten, hier nicht umfassend als erfüllt anzusehenden Erwerbsobliegenheit nicht auf einen Wegfall der Unterhaltspflicht, zumal einer ggü. dem gesetzlichen Mindestunterhalt deutlich reduzierten Unterhaltspflicht berufen, die sich konkret auf einen vergleichsweise übernommenen Betrag von 100 EUR verkürzt hat.
Der nachgewiesene (Bl. 16, Bl. 111, Bl. 126/127 d.A.) Besuch der einjährigen Berufsfachschule in M. im Vollzeitunterricht von Seiten des Beklagten bis Juli dieses Jahres ist als allgemeiner Schulbesuch i.S.d. § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB zu werten. Denn der Beklagte verfügte bis dahin ausweislich des - statthafterweise gem. § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO erst in der Beschwerdeinstanz vorgelegten - Abgangszeugnisses der Integrierten Gesamtschule "R. " in M. (Bl. 130 d.A.) nicht über einen Hauptschulabschluss, den er aber, wie durch § 32 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 der Verordnung über Berufsbildende Schulen vom 20.7.2004 (GVBl. LSA 2004, S. 412 - 452, abgekürzt: BbS-VO) allgemein ermöglicht, durch den Besuch der einjährigen Berufsfachschule nach § 2 Nr. 1 und § 9 Abs. 2 der Anlage 4 zu § 36 BbS-VO (GVBl. LSA 2004, S. 420/427) erlangen konnte und erklärtermaßen auch zu erlangen beabsichtigte.
In einem derartigen Fall wird von einem Großteil der Rechtsprechung und einschlägigen juristischen Literatur auch noch der volljährige, im Haushalt eines Elternteils lebende Unterhaltsgläubiger bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres i.S.d. § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB als in der allgemeinen Schulausbildung befindlich angesehen (so nam. statt vieler, jeweils mit weiteren Nachweisen auch zur Gegenansicht: OLG Celle, OLG Dresden FamRZ 2004, 301 [302]; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 10. Aufl. 2008, Rz. 179). Das Prozesskostenhilfe-Verfahren kann zumindest in erster Instanz nicht dazu dienen, diese allemal zweifelhafte Rechtsfrage bereits negativ zu Lasten des ökonomisch bedürftigen Unterhal...