Entscheidungsstichwort (Thema)
Anhängiger Unterhaltsprozess. Unterbrechung des Verfahrens durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Partei oder durch Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den vorläufigen Insolvenzverwalter. Kein Eröffnungsbeschluss. Prüfung eines möglicherweise gegebenen Eröffnungsgrunds. Auswirkungen der Unterbrechung nur auf Unterhaltsrückstand
Leitsatz (amtlich)
Die Anordnung der Prüfung eines Eröffnungsgrundes ist kein den Prozess unterbrechendes Ereignis.
Eine Unterbrechung tritt nur ein durch die Eröffnung oder Übertragung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf einen Insolvenzverwalter.
Eine wirksame Unterbrechung erfasst nur die bis zu diesem Zeitpunkt fälligen Unterhaltsansprüche.
Normenkette
ZPO § 240 S. 2; InsO §§ 16-18
Verfahrensgang
AG Merseburg (Beschluss vom 18.03.2003; Aktenzeichen 2 F 61/03) |
Tenor
Der Beschluss des AG Merseburg vom 25.2.2003 in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 18.3.2003 werden mit dem zu Grunde liegenden Verfahren aufgehoben und das Verfahren an das AG zurückgegeben.
Gründe
I. Im Februar 2003 machte die Klägerin eine Stufenklage gerichtet auf Trennungsunterhalt gegen ihren von ihr getrennt lebenden Ehemann anhängig. Dieser verteidigte sich damit, dass er behauptete über sein Vermögen sei ein Insolvenzverfahren eröffnet und das Verfahren deshalb unterbrochen sei. Im Übrigen könne er die von der Klägerin im Rahmen der Auskunftsstufe begehrten Unterlagen nicht vorlegen, weil diese nicht mehr in seinem Besitz seien. Zum Beleg der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat er einen Beschluss des AG Darmstadt vom 29.11.2002 vorgelegt, indem in dem „Insolvenzantragsverfahren” gegen den Ehemann ein Rechtsanwalt mit der Erstellung eines Gutachtens zur Klärung der Frage, ob ein Insolvenzverfahren eröffnet werden solle, beauftragt worden ist und darüber hinaus Anordnungen nach § 20 InsO getroffen worden sind. Das AG hat darauf hin in dem angefochtenen Beschluss festgestellt, dass das Verfahren gem. § 240 ZPO unterbrochen sei. Hiergegen legte die Klägerin Rechtsmittel ein. Die Sache ist vom Einzelrichter zur Entscheidung auf den Senat rückübertragen worden.
II. Die gem. § 252 ZPO zulässige sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des AG ist begründet. gem. § 240 ZPO ist im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei das Verfahren unterbrochen bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. gem. § 240 S. 2 ZPO gilt dies auch, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einem vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand nicht ersichtlich. Der zum Beleg der behaupteten Tatsache vorgelegte Beschluss des AG Darmstadt eröffnet nicht das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten, hierzu wäre ein Eröffnungsbeschluss gem. § 27 InsolvenzO notwendig, sondern hier wird lediglich die Prüfung eines möglicherweise gegebenen Eröffnungsgrundes i.S.v. §§ 16,17,18 InsO angeordnet. Selbst Sicherungsmaßnahmen gem. § 21 InsO hat nach diesem vorliegenden Beschluss das AG Darmstadt nicht getroffen, insb. keinen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Allein schon aus diesem Grund kann keine Unterbrechung des Verfahrens eingetreten sein.
Für den Fall, dass während des fortzuführenden Verfahrens das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten eröffnet werden sollte, wird das AG zu beachten haben, dass durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unterhaltsschuldners ein anhängiger Unterhaltsprozess nur hinsichtlich der zur Zeit der Eröffnung fälligen Ansprüche unterbrochen wird (vgl. OLG Koblenz v. 15.5.2002 – 9 UF 440/01, OLGReport Koblenz 2002, 386 [387]). D. h., nur der den Unterhaltsrückstand betreffende Teil des Unterhaltsanspruchs wird durch die Unterbrechung gem. § 240 ZPO betroffen. Handelt es sich hingegen um Ansprüche, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig werden, hat die Unterbrechung gem. § 240 ZPO hierauf keinen Einfluss (OLG Koblenz v. 20.12.2000 – 90 WF 646/00, FamRZ 2002, 31 [32]). Deshalb kann sogar nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Stufenklage beim FamG anhängig gemacht werden, wobei dann die Auskunftsstufe gegen den Gemeinschuldner zu richten ist, der Zahlungsanspruch hingegen den Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes (OLG Naumburg, Beschl. v 5.4.2002 – 8 WF 17/02, OLGReport Naumburg 2002, 416).
Dr. Friederici Hellriegel Wiedenlübbert
Fundstellen
NJW-RR 2004, 7 |
EzFamR aktuell 2003, 295 |
ZInsO 2003, 664 |
FF 2003, 221 |
OLGR-NBL 2003, 498 |
www.judicialis.de 2003 |