Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Unterbrechung des Prozesskostenhilfeverfahrens durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens

 

Leitsatz (amtlich)

Hat der Beklagte zur Verteidigung gegen die Klage Prozesskostenhilfe beantragt, so wird das Prozesskostenhilfeverfahren nicht dadurch unterbrochen, dass über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird.

 

Normenkette

ZPO § § 114 ff., § 240; InsO §§ 27, § 80 ff.

 

Verfahrensgang

LG Frankenthal (Pfalz) (Beschluss vom 29.09.2004; Aktenzeichen 7 O 296/04)

 

Tenor

I. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch des Beklagten an das LG zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche aus einem Leasingvertrag geltend. Der Beklagte hat zur Verteidigung gegen die Klage Prozesskostenhilfe beantragt. Danach ist durch Beschluss des AG Ludwigshafen am Rhein v. 23.8.2004 - 3a IK 245/04 SP über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Mit Beschluss v. 29.9.2004 hat die Zivilkammer festgestellt, das Verfahren sei gem. § 240 ZPO unterbrochen. Im Hinblick darauf könne über den Prozesskostenhilfeantrag derzeit nicht entschieden werden. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beklagte mit seiner Beschwerde, der die Zivilkammer nicht abgeholfen hat.

II.1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Zwar liegt über das Prozesskostenhilfegesuch des Beklagten i.S.v. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO keine ausdrückliche Sachentscheidung vor. Das LG hat durch den angefochtenen Beschluss aber deutlich gemacht, dass es beim derzeitigen Stand des Verfahrens nicht beabsichtigt, über das Prozesskostenhilfegesuch zu entscheiden. Im Hinblick darauf ist das Rechtsmittel des Beklagten jedenfalls als Untätigkeitsbeschwerde statthaft, weil die Sachentscheidung über einen unzumutbaren Zeitraum hinaus verzögert wird und dies bei objektiver Betrachtung einer Ablehnung gleich zu achten ist (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 10.9.2002 - 4 W 65/02, OLGReport Zweibrücken 2003, 102 [103], m.w.N.). Im Übrigen unterliegt die sofortige Beschwerde keinen förmlichen Bedenken. Eine Beschwerdefrist ist nicht in Lauf gesetzt worden, weil der angefochtene Beschluss nicht förmlich zugestellt worden ist.

2. In der Sache führt die sofortige Beschwerde zu einem vorläufigen Erfolg. Das LG hätte die Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch des Beklagten nicht wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ablehnen dürfen.

Die Frage, ob die gem. § 240 ZPO bei Insolvenzeröffnung eintretende Unterbrechung des Prozesses auch ein Prozesskostenhilfeverfahren erfasst, wird in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beantwortet. Zum Teil wird eine solche Erstreckung der Unterbrechungswirkung bejaht (OLG Düsseldorf OLGReport Düsseldorf 1999, 166; OLG Köln v. 15.11.2002 - 2 U 79/02, MDR 2003, 526 = OLGReport Köln 2003, 52; OLG Bamberg v. 5.12.2003 - 3 W 128/03, OLGReport Bamberg 2004, 181; wohl auch Feiber in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 249 Rz. 23). Nach wohl herrschender Auffassung soll allerdings durch die Insolvenzeröffnung keine Unterbrechung des Verfahrens auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe stattfinden (OLG Koblenz v. 20.11.1987 - 5 W 583/87, AnwBl. 1989, 178; OLG Köln v. 7.7.1998 - 15 W 70/98, NJW-RR 1999, 276; OLG Düsseldorf v. 28.4.2003 - 22 U 100/00, MDR 2003, 1018; OLG Karlsruhe v. 12.11.2002 - 2 WF 93/02, OLGReport Karlsruhe 2003, 42 = NJW-RR 2003, 796; OLG Rostock v. 8.8.2003 - 3 W 68/03, OLGReport Rostock 2004, 151; OLG Stuttgart v. 25.3.2004 - 3 W 65/03, OLGReport Stuttgart 2004, 313; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 249 Rz. 8; Musielak/Stadler, ZPO 4. Aufl., § 249 Rz. 5; Stein-Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., § 249 Rz. 25; Zöller/Greger, 24. Aufl., vor § 239 Rz. 8; für die Unterbrechung nach § 244 ZPO auch BGH NJW 1966, 1126, jeweils m.w.N.). Jedenfalls für den hier vorliegenden Fall folgt der Senat der letztgenannten Ansicht.

Gegen eine Unterbrechung des Prozesskostenverfahrens gem. § 240 ZPO spricht bereits der Umstand, dass dieses Verfahren nicht kontradiktorisch geführt wird. Im Prozesskostenhilfeverfahren stehen sich nicht die Parteien des Rechtsstreits, sondern der Antragsteller und die Staatskasse ggü. (OLG Karlsruhe v. 12.11.2002 - 2 WF 93/02, OLGReport Karlsruhe 2003, 42 = NJW-RR 2003, 796; OLG Düsseldorf v. 28.4.2003 - 22 U 100/00, MDR 2003, 1018; OLG Köln v. 7.7.1998 - 15 W 70/98, NJW-RR 1999, 276).

Im vorliegenden Fall spricht auch die Interessenlage des Antragstellers gegen eine Unterbrechung. Antragsteller ist der Beklagte. Er hatte vor der Insolvenzeröffnung über sein Vermögen den Prozesskostenhilfeantrag gestellt. Das Prozesskostenhilfeverfahren war im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung entscheidungsreif. Würde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Prozesskostenhilfeverfahren unterbrechen, so bliebe es - selbst wenn die Rechtsverteidigung des Beklagten bis zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung Aussicht auf Erfolg gehabt hätte - im Ergebnis dem Zufall überlassen, ob er seine a...

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