Leitsatz (amtlich)
1. Im Ergebnis der Ermittlungen des Senats hat sich nach dem 3. Oktober 1990 kein Gewohnheitsrecht fortgesetzt, auf Ersuchen niedersächsischer Landwirtschaftsgerichte gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 HöfeVfO, Hofvermerke nach § 5 HöfeVfO in die Grundbücher von grenznahen Amtsgerichten in Sachsen-Anhalt einzutragen.
2. Es ist nicht sicher festzustellen, dass sich in Sachsen-Anhalt konstant über Jahre und bis heute andauernd eine Übung herausgebildet hat, Ausmärkergrundstücke nach dem Recht zu behandeln, das für den im benachbarten Bundesland belegenen Hof gilt, sie also im Ergebnis der in Sachsen-Anhalt nicht geltenden Höfeordnung zu unterstellen.
Tenor
Die Beschwerde des Landwirtschaftsgerichts des Amtsgerichts Helmstedt gegen den Beschluss des Amtsgerichts Haldensleben - Grundbuchamt - vom 13. Februar 2020 wird zurückgewiesen.
Von der Erhebung von Kosten wird abgesehen.
Gründe
I. R. B. ist Eigentümer der in den Grundbüchern von Sch. Blatt 271, 304, 315, 418 (zu 1/2) und 551 (zu 90.625/100.000), von M. Blatt 423, von B. Blatt 590, von A. Blatt 502 und von Bf. Blatt 240 eingetragenen landwirtschaftlichen Grundstücke. Mit Schreiben vom 26. November 2019 hat der Beteiligte das Grundbuchamt ersucht, für den vorstehenden Grundbesitz des Hofeigentümers einen Hofzugehörigkeitsvermerk wie folgt einzutragen:
"Der Grundbesitz gehört zu dem Hof gemäß der Höfeordnung, eingetragen im Grundbuch von E. Blatt 188."
Das Grundbuchamt des Amtsgerichts Haldensleben hat das Ersuchen mit Beschluss vom 13. Februar 2020 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Höfeordnung und die Verfahrensordnung für Höfesachen im Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts Haldensleben nicht gälten. Zwar nehme der Bundesgerichtshof ein in ganz Nordwestdeutschland geltendes Gewohnheitsrecht an, nach welchem im Nachbarbundesland liegende und von einem Hof aus bewirtschaftete Grundstücke als Bestandteil des Hofes gälten und sich nach dem Recht des Bundeslandes vererbten, in dem die Hofstelle liege. Eine staatsvertragliche Lösung zwischen den Bundesländern Sachsen-Anhalt und Niedersachsen sei nicht vorhanden. Im Bereich der Provinz Sachsen, zu der das heutige Gebiet des Amtsgericht Haldensleben gehöre, habe es nie ein Anerbenrecht gegeben. Mit Ausnahme bestimmter Gebiete in Brandenburg und Sachsen sei durch Art. 8 des Einigungsvertrages auch kein automatisches Wiederaufleben ausdrücklich aufgehobener Anerbenrechte erfolgt. Im Gebiet des Amtsgerichts Haldensleben könne kein Gewohnheitsrecht angenommen werden.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten vom 21. Februar 2020. Er meint, dass das Grundbuchamt nicht beachtet habe, dass es bei behördlichen Eintragungsersuchen im Regelfall lediglich zu prüfen habe, ob die ersuchende Behörde zur Stellung des Ersuchens abstrakt befugt sei, das Ersuchen hinsichtlich Form und Inhalt den gesetzlichen Vorschriften entspreche und die durch das Ersuchen nicht ersetzten Eintragungserfordernisse vorliegen. Allein im Verantwortungsbereich der ersuchenden Behörde liege, ob die Voraussetzungen für die ersuchte Eintragung tatsächlich vorliegen. Zwar sei es richtig, dass die Höfeordnung sowie die Höfeverfahrensordnung in ihrem Geltungsbereich als partielles Bundesrecht auf das Gebiet der Bundesländer Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein beschränkt seien. Dies stehe jedoch der Eintragung von Hofzugehörigkeitsvermerken in den Grundbüchern von Grundstücken, die im Eigentum eines Hofeigentümers in Niedersachsen stehen, aber auf dem Gebiet des Landes Sachsen-Anhalt liegen, nicht entgegen. Hierzu habe der Bundesgerichtshof entschieden, dass sich die rechtliche Zugehörigkeit eines Ausmärkergrundstücks zu einem Hof im Sinne der Höfeordnung und damit deren Geltung für das Ausmärkergrundstück aus einer langjährigen Übung im Verhältnis der benachbarten Bundesländer ergeben könne und ein solches Gewohnheitsrecht sowie dessen Fortgeltung für den norddeutschen Raum bejaht. In der Literatur werde hierzu überwiegend die Auffassung vertreten, dass diese Entscheidung ohne weiteres auch auf Ausmärkergrundstücke in den neuen Bundesländern zu übertragen sei. Dies habe das Thüringische Oberlandesgericht mit Beschluss vom 7. August 2013 bestätigt. Auch das Oberlandesgericht Naumburg habe sich der Ansicht angeschlossen, dass es auch im Verhältnis zwischen Niedersachsen und Sachsen-Anhalt eine entsprechende gleichartige Verfahrensweise gebe. Insofern habe sich gewohnheitsrechtlich auch in Sachsen-Anhalt nach dem 3. Oktober 1990 erneut die Übung herausgebildet, Ausmärkergrundstücke nach dem Recht zu behandeln, das für den Hof gilt, sie also im Ergebnis der Höfeordnung zu unterstellen.
Das Grundbuchamt hat mit Nichtabhilfebeschluss vom 18. März 2020 der Beschwerde unter Bezugnahme auf die bisherige Begründung nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung einer Auskunft, ob und in wie vielen Fällen im Grenzgebiet zwischen Sachsen-Anhalt und...