Entscheidungsstichwort (Thema)
Altstadtzentrum
Leitsatz (amtlich)
1. Die Rücknahme eines Nachprüfungsantrages steht aus kostenrechtlicher Sicht einem Unterliegen i.S.d. § 128 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 2 GWB gleich. Dem steht die Entscheidung des X. Zivilsenates des BGH vom 9.12.2003, X ZB 14/03 (BGH v. 9.12.2003 - X ZB 14/03, MDR 2004, 829 = BGHReport 2004, 782 = VergabeR 2004, 414 ff.), nicht entgegen.
2. Es wird offen gelassen, ob eine entsprechende Anwendung des § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO in Betracht kommt.
3. Die Ermessensentscheidung nach § 269 Abs. 3 S. 2 Alt. 3 ZPO unterliegt strengen Grenzen, die sich aus ihrem Ausnahmecharakter ergeben. Ein solcher Ausnahmefall liegt nicht schon dann vor, wenn die Vergabestelle den Rechtsirrtum der Antragstellerin über den - tatsächlich nicht gegebenen - Zugang zum Nachprüfungsverfahren mitverursacht hat.
Verfahrensgang
Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 26.10.2004; Aktenzeichen 1 VK LVwA 52/04) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt vom 26.10.2004 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Das Nachprüfungsverfahren ist durch Antragsrücknahme beendet. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Von der Erhebung einer Gebühr für das Nachprüfungsverfahren wird abgesehen. Die Auslagen der Vergabekammer betragen 22,82 Euro. Verfahrensauslagen der Beteiligten werden nicht erstattet.
II. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 22,82 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin beteiligte sich als Bieterin an der öffentlichen Ausschreibung von Bauleistungen zur Gestaltung des Altstadtzentrums in W. Die Bekanntmachung der Ausschreibung nach der VOB/A im Ausschreibungsanzeiger Sachsen-Anhalt vom 30.4.2004 enthielt unter Ziff. 15 folgende Eintragung:
"Nachprüfstelle: Landesverwaltungsamt, Vergabekammern,
W.-Lohmann-Str. 7, 06114 Halle."
Die Ausschreibung erreichte unstreitig nicht die Schwellenwerte, die durch Rechtsverordnung nach § 127 Nr. 1 GWB festgelegt worden sind.
Mit Schreiben vom 15.6.2004 beantragte die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Schon am 16.6.2004 nahm sie ihren Antrag wieder zurück.
Daraufhin hat die Vergabekammer das Verfahren mit Beschl. v. 26.10.2004 eingestellt und der Antragsgegnerin gem. § 269 Abs. 3 S. 2 Alt. 3 ZPO analog die Kosten des Verfahrens auferlegt. Zur Begründung hat die Kammer darauf hingewiesen, dass die Antragsgegnerin durch die Angabe der Nachprüfstelle Anlass für den unzulässigen Nachprüfungsantrag geboten habe. Von der Erhebung einer Verfahrensgebühr hat die Kammer aus Billigkeitsgründen abgesehen. Ihre Auslagen hat sie auf 22,82 Euro festgesetzt.
Diese Entscheidung greift die Antragsgegnerin mit ihrer sofortigen Beschwerde insoweit an, als ihr die Kosten auferlegt wurden. Sie meint, § 128 GWB enthalte eine abschließende Regelung der Kostenlast, die einen Rückgriff auf § 269 ZPO nicht zulasse. Schon aus diesem Grunde sei es nicht möglich, im Falle der Antragsrücknahme dem Gegner die Kosten aufzuerlegen.
Die Antragstellerin ist dem nicht entgegen getreten.
Mit Zustimmung aller Beteiligten hat der Senat durch Beschl. v. 6.12.2004 das schriftliche Verfahren angeordnet, den 16.12.2004 4.1.2005 als Schlusstermin und den 4.1.2005 als Verkündungstermin bestimmt.
II. Das Rechtsmittel der Antragstellerin ist zulässig.
Eine Entscheidung der Vergabekammer kann auch lediglich im Kostenpunkt gem. § 116 Abs. 1 S. 1 GWB angegriffen werden (st. Rspr. OLG Naumburg, Beschl. v. 9.6.2004 - 1 Verg 6/04, m.z.N.). Die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen der sofortigen Beschwerde sind gegeben, insb. ist das Rechtsmittel form- und fristgerecht eingelegt worden.
III. Auch in der Sache hat die sofortige Beschwerde Erfolg.
Nachdem die Antragstellerin ihren Nachprüfungsantrag zurückgenommen hat, trägt sie die Kosten des Verfahrens. Es besteht im vorliegenden Fall keine Veranlassung, eine andere Kostenentscheidung zu treffen.
1. Grundsätzlich trägt der Antragsteller die Kosten des Nachprüfungsverfahrens, wenn er seinen Antrag zurückgenommen hat.
a) Nach der Rechtsprechung des BayObLG (seit BayObLG v. 29.9.1999 - Verg 5/99, NZBau 2000, 99) der sich der erkennende Senat bereits mit Beschl. v. 29.5.2001, 1 Verg 5/01, angeschlossen hat, steht die Rücknahme eines Nachprüfungsantrages aus kostenrechtlicher Sicht einem Unterliegen i.S.d. § 128 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 2 GWB) gleich (so auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.10.2003 - Verg 23/03). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des BGH vom 9.12.2003 (BGH v. 9.12.2003 - X ZB 14/03, MDR 2004, 829 = BGHReport 2004, 782 = VergabeR 2004, 414 ff.), weil sie eine andere Fallkonstellation betraf. Der BGH hat sogar ausdrücklich offen gelassen, ob von einem Unterliegen auch dann gesprochen werden kann, wenn der Antragsteller...