Leitsatz (amtlich)
Eine teilweise oder gänzliche Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB setzt voraus, dass eine gerichtliche Entscheidung zum Wohl des Kindes notwendig ist, was der beantragende Elternteil konkret darzulegen hat. Liegt schon kein gerichtliches Regelungsbedürfnis, also keine Notwendigkeit einer gerichtlichen Entscheidung für den Antrag auf Alleinsorge vor, so bedarf es in dem Verfahren nicht der Bestellung eines Verfahrensbeistands.
Verfahrensgang
AG Zeitz (Beschluss vom 23.06.2011; Aktenzeichen 6 F 31/11) |
Tenor
1. Das Verfahrenskostenhilfegesuch der Beteiligten zu 1 wird abgewiesen.
2. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des AG - Familiengerichts - Zeitz vom 23.6.2011 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert beträgt EUR 3.000.
Gründe
I. Die Beteiligte zu 1 (Antragstellerin und Beschwerdeführerin) begehrt die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge.
Nachdem die Beteiligte zu 1 mit dem Beteiligten zu 2 die Ehe geschlossen hatte, gingen aus der Ehe
das (am 16.12.1999 geb.) Kind J. und
das (am 1.12.2000 geb.) Kind M.
hervor. Die Kinder leiden unter einer Erbkrankheit, der Leukodystrophie (progrediente Degeneration der Substantia alba des ZNS); sie besuchen nach Mitteilung des Beteiligten zu 3 die Förderschule.
Im Jahre 2002 trennten sich die Kindeseltern, anschließend wurde das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht auf die Beteiligte zu 1 (Kindesmutter) übertragen (Verfahren 6 F 38/04 AG Zeitz) und im Juni 2005 wurde die Ehe - rechtskräftig - geschieden. Auf den Antrag des Beteiligten zu 2 ist sein Umgang mit den Kindern in einem Beschluss des Familiengerichts vom 21.7.2005 geregelt worden.
Am 17.3.2009 hat die Kindesmutter das erste Mal beim Familiengericht ein Verfahren nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB anhängig gemacht, in dem sie die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge beantragt hat (6 F 72/09 AG Zeitz). Das Verfahren endete nach mündlicher Verhandlung mit einer Einigung der Kindeseltern, in der sich der Kindesvater (Beteiligte zu 2) verpflichtete, sein Umgangsrecht wieder wahrzunehmen, bei beruflicher Verhinderung rechtzeitig Bescheid zu geben, für die Kindesmutter erreichbar zu sein und mit ihr insbesondere Fragen der Gesundheitsfürsorge zu besprechen.
Am 8.2.2011 hat die Kindesmutter beim Familiengericht das vorliegende - zweite - Sorgerechtsverfahren anhängig gemacht, in dem sie ihren Antrag aus dem vorangegangenen Verfahren wiederholt. Sie beschwert sich darüber, dass der Kindesvater seit Jahren keinen persönlichen Umgang mehr mit den Kindern pflege - dies bestreitet der Kindesvater: die Ferien würden die Kinder immer bei seinen Eltern (Großeltern der Kinder) verbringen und er schicke stets Weihnachtsgeschenke - und dass der Kindesvater nicht auch einmal allein die Arzttermine mit den Kindern wahrnehme - indessen hat der Kindesvater der Kindesmutter nach den Feststellungen des Familiengerichts vollumfänglich Vollmacht erteilt. Ihr, der Kindesmutter, sei es nicht mehr zumutbar, dem Kindesvater hinterherzulaufen, wenn sie eine Unterschrift oder Entscheidung benötige.
Das Familiengericht hat den Antrag der Kindesmutter - nach persönlicher Anhörung der Kindeseltern und der Kinder sowie nach Gewährung rechtlichen Gehörs an die Beteiligten - abgewiesen. Gegen diese - ihr am 1.7.2011 zugestellte - Entscheidung wendet sich die Kindesmutter mit der am 01.8. beim Familiengericht eingelegten Beschwerde.
II. Der mit der zulässigen Beschwerde weiterverfolgte Antrag nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht begründet:
Eine teilweise oder gänzliche Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB setzt voraus, dass eine gerichtliche Entscheidung zum Wohl des Kindes notwendig ist (Palandt/Diederichsen, BGB, 70. Aufl., § 1671 Rz. 15 m.w.N.). Dies ist nicht bereits bei fehlender Kommunikation zwischen den sorgeberechtigten Eltern (Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1671 Rz. 21 ff. unter Bezugnahme auf OLG Naumburg, FamRZ 2002, 564, 565 und auf OLG München, FamRZ 189, 190), sondern erst dann der Fall, wenn für den betreuenden Elternteil in einer Angelegenheit, die für das Kind von erheblicher Bedeutung ist (§ 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB) - also nicht in einer Angelegenheit des täglichen Lebens, die der betreuende Elternteil allein regeln darf (§ 1687 Abs. 1 Satz 3 BGB) - eine Entscheidung ansteht (Palandt/Diederichsen, a.a.O., unter Bezugnahme auf OLG Hamm, FamRZ 2005, 537, 538) und sich in einer solchen Angelegenheit kein Einvernehmen mit dem anderen Elternteil erzielen lässt (Palandt/Diederichsen, a.a.O., unter Bezugnahme auf BGH NJW 2005, 2080 f., wo auch BGH FamRZ 1999, 1646, 1647 verwiesen wird; ferner OLG Naumburg FamRZ 2009, 792 f.). Eine derartige Feststellung erfordert nicht nur einen konkreten Tatsachenvortrag dazu, dass, wann, bei welchem Anlass und auf welche Weise sich der antragstellende Elternteil um ein Einvernehmen bemüht hat, sondern auch dazu, dass sein...