Leitsatz (amtlich)
1. In entsprechender Anwendung des § 118 Abs. 1 S. 3 GWB ist auch einer Beigeladenen, die durch die Entscheidung der Vergabekammer materiell beschwert ist, die Befugnis zur Beantragung der Verlängerung des Zuschlagverbots zuzuerkennen.
2. Wird von der Vergabekammer lediglich der Zuschlag auf ein bestimmtes Angebot untersagt und im Übrigen die Wiederholung der Wertung angeordnet, so besteht ein Rechtsschutzbedürfnis an der Anordnung eines vorläufigen Zuschlagverbots; § 118 Abs. 3 GWB ist nicht anwendbar.
3. Ein Beigeladener ist aber auch beschwerdeberechtigt, wenn er geltend machen kann, dass er durch die Entscheidung der Vergabekammer materiell in seinen Rechten verletzt sein kann.
4. Der Ausschlusstatbestand des § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A ist jedenfalls dann erfüllt, wenn es sich bei den fehlenden Erklärungen um unverzichtbare Grundlagen des Angebotes handelt, die innerhalb der Angebotsfrist abzugeben sind, weil die Annahme des unvollständigen Angebots zu einem Vertrag führen würde, der in einzelnen Leistungspositionen unbestimmt ist (hier: produktidentifizierende Angaben).
5. Das Fehlen einer Preisangabe für eine Alternativposition führt zwingend zum Ausschluss des dadurch unvollständigen Angebots.
Verfahrensgang
1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt LSA (Beschluss vom 07.04.2004; Aktenzeichen 1 VK LVwA 12/04) |
Tenor
Der Antrag der Beigeladenen auf Anordnung der Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt vom 7.4.2004, 1 VK LVwA 12/04, wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin, eine gemeinnützige Gesellschaft privaten Rechts zum Betrieb eines Krankenhauses zur allgemeinen Schwerpunkt- und Unfallversorgung, deren Gesellschafter der Landkreis M. ist, schrieb im November 2003 den oben genannten Auftrag EU-weit im Offenen Verfahren auf der Grundlage der Verdingungsordnung für Bauleistungen, Teil A (VOB/A) - Ausgabe 2002 - zur Vergabe aus. Der Auftrag ist Bestandteil eines Bauvorhabens im Umfang von mehr als fünf Mio. Euro.
Zur Angebotseröffnung lagen Angebote von fünf Bietern, darunter der Antragstellerin und der Beigeladenen, vor. Die Antragsgegnerin beabsichtigt ausweislich des Vergabevorschlags ihrer Beraterin vom 26.1.2004 sowie ihrer eigenen Beschlussvorlage 02/2004 vom 5.2.2004, den Zuschlag auf das Hauptangebot der Beigeladenen zu erteilen.
Die Antragstellerin, die mit einem am 12.2.2004 abgesandten Schreiben vorab über die beabsichtigte Zuschlagerteilung an die Beigeladene und darüber informiert, dass ihr Angebot nicht das wirtschaftlichste sei, weil ein preislich niedrigeres Angebot vorgelegen habe, rügte die vorgenommene Angebotswertung als vergaberechtswidrig. Sie vertrat die Auffassung, dass der Beigeladenen die fachliche Eignung zur Eigenausführung der zu vergebenden Leistungen fehle. Die Antragsgegnerin half dieser Rüge nicht ab. Daraufhin hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 26.2.2004 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bei der 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt mit dem Ziel beantragt, dass der Antragsgegnerin aufgegeben werden möge, die Wertung unter Ausschluss des Angebots der Beigeladenen zu wiederholen.
Die Vergabekammer hat die Zuschlagsaspirantin beigeladen und alle Beteiligten des Verfahrens vor dem Termin der mündlichen Verhandlung bereits darauf hingewiesen, dass mehrere Ausschlussgründe für das Angebot der Beigeladenen vorlägen; diese Ausschlussgründe wurden im Einzelnen benannt. Im Termin der mündlichen Verhandlung hat die Antragsgegnerin die Zurückweisung des Nachprüfungsantrages beantragt; die Beigeladene hat auch nach Aufforderung keinen Antrag gestellt.
Die Vergabekammer hat dem Nachprüfungsantrag der Antragstellerin durch Beschluss vom 7.4.2004 stattgegeben. Sie erachtet den Ausschluss des Angebots der Beigeladenen jeweils nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A wegen folgender Versäumnisse für geboten:
1. Das Angebot der Beigeladenen enthält - entgegen der Anforderung in der Vergabebekanntmachung, dort in Abschn. III. Ziff. 2.1.3., sowie in der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (EVM (B) A EG), dort Ziff. 3.2., als solche mit dem Angebot vorzulegende Nachweise - keine Referenzliste über ähnliche, in den letzten drei Jahren abgewickelte Aufträge. Die Vergabekammer vertritt die Ansicht, dass es angesichts der verbindlichen Abforderung der Referenzliste als Eignungsnachweis nicht darauf ankomme, dass die Antragsgegnerin inhaltlich keine Zweifel an der Leistungsfähigkeit der Beigeladenen hege.
2. Das Angebot enthält in den Leistungspositionen 1.20.2 und 1.33.1 zur Identifizierung des angebotenen Produkts jeweils lediglich eine Fabrikatsangabe, jedoch keine Modellangabe, sondern statt dessen den Hinweis: "Unterlagen lagen bei Abgabe noch nicht vor, werden bei Auftrag nachgereicht". Hierdurch sei das Angebot in den betroffenen Leistungspositionen nicht hinreichend bestimmt, und zwar auch dann n...