Leitsatz (amtlich)

1. Die Vorschrift des § 9 Abs. 1 ARegV verstößt gegen § 21a Abs. 5 S. 1 EnWG und ist auch nicht von §§ 21a Abs. 6 S. 1 Nr. 2 bzw. 21a Abs. 6 S. 2 Nr. 5 EnWG gedeckt.

2. Im vereinfachten Verfahren der Bestimmung der Erlösobergrenzen kommt die Berücksichtigung eines pauschalierten Investitionsfaktors nicht in Betracht, und zwar auch dann nicht, wenn ein entsprechender Antrag bereits vor dem 12.4.2008 (dem Tag des Inkrafttretens der Änderung von § 24 Abs. 3 ARegV) gestellt, aber erst nach diesem Zeitpunkt beschieden worden ist.

 

Verfahrensgang

Landesregulierungsbehörde (Beschluss vom 29.01.2009; Aktenzeichen 46-32512 (...))

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Bescheid der Landesregulierungsbehörde für Elektrizität und Gas des Landes Sachsen-Anhalt (Beschwerdegegnerin) vom 29.1.2009 - Az. 46-32512 (...) - aufgehoben, mit Ausnahme der Ablehnung des Antrages auf Anpassung der Erlösobergrenze nach § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ARegV.

Die Beschwerdegegnerin wird verpflichtet, die Beschwerdeführerin unter Beachtung der Rechtsansicht des Senats hinsichtlich der Bestimmung der Erlösobergrenzen der ersten Regulierungsperiode neu zu bescheiden.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beschwerdeführerin zu ½ und die Beschwerdegegnerin und die weitere Beteiligte jeweils zu ¼. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf ... EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beschwerdeführerin ist ein lokales Energieversorgungsunternehmen. Auf ihren Antrag genehmigte die Beschwerdegegnerin der Beschwerdeführerin gem. § 24 Abs. 4 S. 3 ARegV die Teilnahme am vereinfachten Verfahren (§ 24 Abs. 1 der Verordnung über die Anreizregulierung der Energieversorgungsnetze (Anreizregulierungsverordnung - ARegV). Mit dem angefochtenen Bescheid hat die Beschwerdegegnerin die Erlösobergrenzen für die 1. Regulierungsperiode (§ 4 Abs. 1 u. Abs. 2 ARegV) auf

... EUR für 2009

... EUR für 2010

... EUR für 2011

... EUR für 2012 und

... EUR für 2013

festgesetzt.

1. Härtefallentscheidung gem. § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 ARegV.

Die Beschwerdeführerin hatte im Rahmen des vereinfachten Verfahrens einen Antrag gem. § 4 Abs. 4 Nr. 2 ARegV gestellt und diesen damit begründet, dass die Kosten für die Beschaffung von Verlustenergie (§ 10 der Verordnung über die 3 Entgelte für den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen (Stromnetzentgeltverordnung - StromNEV) stark gestiegen seien. Die Beschwerdeführerin hat dazu in der Beschwerdebegründung vorgetragen, dass der Netzverlust im Durchschnitt der Jahre 2000-2008 rd. 5 % betragen habe (Anlage Bf4).

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

6,2 %

6,3 %

6,1 %

5,5 %

4,8 %

4,8 %

4,4 %

5,1 %

5,4 %

3,6 %

Die Kosten für die Beschaffung von Verlustenergie seien bei ihrer Antragstellung auf der Basis des Geschäftsjahres 2004 mit den Beschaffungskosten aus dem Jahre 2006i.H.v. ... ct/kWh berücksichtigt worden. Im Jahr 2007 seien die Kosten bereits auf ... ct/kWh und im Jahr 2008 auf ... ct/kWh gestiegen (Anlage Bf3). Dies entspreche einer Kostensteigerung für das Jahr 2007 um 40 % und für das Jahr 2008 um 46 % (Anlage Bf5). Sie hat dazu ergänzt: Weil eine genaue Erfassung der Verlustenergie messtechnisch nicht möglich sei bzw. einen unangemessenen Aufwand erfordern würde, erfolge die Zuordnung der als Differenz zwischen zwei Ablesungen erfassten elektrischen Energie auf einen definierten Lieferzeitraum (Kalenderjahr) über Hochrechnungen im Abrechnungssystem. Diese sog. bilanzielle Abrechnung könne dazu führen, dass bei der Betrachtung einzelner Jahre Differenzen bei der Höhe der ermittelten Netzverluste auftreten könnten, obwohl die im Netzgebiet insgesamt durchgesetzte Energie weitgehend unverändert geblieben sei. Daraus folge, dass neben den Preissteigerungen auch die Verlustenergiemenge im Vergleich der Jahre 2004 zu 2007 gestiegen sei.

Die Beschwerdegegnerin hat den Antrag der Beschwerdeführerin gem. § 4 Abs. 4 Nr. 2 ARegV im angefochtenen Bescheid (S. 4 a.E./5) abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass die Voraussetzungen der genannten Vorschrift nicht vorlägen. Es könne weder von einem unvorhersehbaren Ereignis ausgegangen werden, noch liege für die Beschwerdeführerin bei Beibehaltung der Erlösobergrenzen eine unzumutbare Härte vor. Ein unvorhersehbares Ereignis liege nicht vor, weil bei zumutbarer Vorsicht mit einem Anstieg dieser Kosten hätte gerechnet werden müssen. Die Kosten für Verlustenergie zählten insbesondere auch nicht zu den in § 11 Abs. 2 ARegV genannten nicht beeinflussbaren Kostenanteilen. Von einer unzumutbaren Härte könne nur dann die Rede sein, wenn bei einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung durch die Beibehaltung der festgesetzten Erlösobergrenzen die wirtschaftliche Existenz der Beschwerdeführerin bedroht wäre, was vorliegend nicht der Fall sei. Man könne bei der Beurteilung der Frage nach der unzumutbaren Härte jedenfalls den ...

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