Leitsatz (amtlich)

Gegen die Entscheidung des Gerichts in einem selbstständigen Beweisverfahren, den Sachverständigen nicht entsprechend § 404a Abs. 1 ZPO anzuweisen, die vom Antragsteller für erforderlich erachtete Bauteilöffnung vorzunehmen oder durch Dritte vornehmen zu lassen, ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nicht statthaft.

 

Verfahrensgang

LG Stendal (Beschluss vom 10.04.2019; Aktenzeichen 23 OH 14/18)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Landgerichts vom 10. April 2019 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Beschwerdewert: bis zu 1.000,00 EUR

 

Gründe

I. Die Antragsteller begehren im selbständigen Beweisverfahren die Feststellung von Mängeln der von dem Antragsgegner erbrachten Werkleistung bei dem Um- und Ausbau und der Renovierung des Bades im Erdgeschoss ihres Hauses. Das Landgericht hat mit den Beschlüssen vom 17. Juli 2018, vom 12. September 2018 und vom 12. November 2018 entsprechende Beweisanordnungen getroffen. Der gerichtlich bestellte Sachverständige K. hat mit Schreiben vom 20. November 2018 und abermals mit Schreiben vom 8. Dezember 2018 die beweispflichtige Partei gebeten, in seinem Beisein den behaupteten bzw. beanstandeten Einschnitt am Waschtischschrank zur Vermessung freizulegen. Daraufhin haben die Antragsteller mit Schriftsatz vom 14. Januar 2019 beantragt,

das Gericht möge dem Sachverständigen aufgeben, die Bauteilöffnung der Silikonfuge am Waschtisch im Haus der Antragsteller zur Freilegung des darunter befindlichen Einschnitts durch ein vom Sachverständigen zu beauftragendes Unternehmen auszuführen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 10. April 2019 diesen Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Sachverständige durch das Gericht nicht gemäß § 404a ZPO angewiesen werden könne, eine Bauteilöffnung zu veranlassen, wenn er nicht selbst dazu bereit sei. Vielmehr sei es Sache des Beweisführers, die faktischen Voraussetzungen für die Begutachtung zu schaffen.

Hiergegen haben sich die Antragsteller mit Schriftsatz vom 2. Mai 2019 mit der sofortigen Beschwerde gewandt. Zur Begründung haben sie ausgeführt, dass bei Beauftragung der Bauteilöffnung durch eine der Parteien Streit über die entstehenden Kosten vorprogrammiert wäre. Vertragsverhältnisse, etwaige Gewährleistung und Kostenregelung der anfallenden Kosten für die ausgeführten Arbeiten wären nämlich unklar. Dies werde umgangen, wenn die Beauftragung im Rahmen des Gutachtenauftrages durch den Sachverständigen erfolge. Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 6. Mai 2019 nicht abgeholfen und das Verfahren dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Mangels Statthaftigkeit ist die sofortige Beschwerde nicht zulässig.

Zu der in der Rechtsprechung umstrittenen Frage, ob die Entscheidung des Gerichts in einem selbständigen Beweisverfahren, den Sachverständigen nicht entsprechend § 404a Abs. 1 ZPO anzuweisen, die vom Antragsteller für erforderlich erachtete Bauteilöffnung vorzunehmen oder durch Dritte vornehmen zu lassen, der sofortigen Beschwerde unterliegt, schließt sich der Senat der Ansicht an, dass das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nicht eröffnet ist (z. B. OLG Köln, Beschluss vom 15. März 2010, 11 W 14/10; OLG Schleswig, Beschluss vom 14. Dezember 2017, 16 W 152/17; OLG Frankfurt, Beschluss vom 29. August 2019, 8 W 29/19; sämtlich zitiert nach Juris).

Eine ausdrückliche Bestimmung im Gesetz, wonach die sofortige Beschwerde in vorliegender Konstellation statthaft ist, gibt es nicht (§ 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Ein Beschwerderecht ergibt sich aber auch nicht aus § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, da dessen Voraussetzungen nicht erfüllt sind, wenn es sich um eine Entscheidung handelt, die das Gericht von Amts wegen zu treffen hat, selbst wenn damit zugleich ein "Gesuch" der Partei ablehnend beschieden wird (z. B. BGH, Beschluss vom 27. Januar 2004, VI ZB 33/03, zitiert nach Juris). Unter einem "Gesuch" ist nur ein förmlicher Antrag zu verstehen, eine Anregung der Partei genügt demgegenüber nicht. Die Parteien sollen nicht die gesamte Amtstätigkeit des Gerichts einer Beschwerde zugänglich machen können. Deshalb ist dem Antragsteller die Beschwerde versagt, wenn die angefochtene Entscheidung ohne die Notwendigkeit eines Antrags von Amts wegen ergehen kann (z. B. BGH, Beschluss vom 29. November 2016, VI ZB 23/16, zitiert nach Juris). Die Entscheidung des mit dem selbstständigen Beweisverfahren befassten Gerichts, ob und welche Anweisungen es dem Sachverständigen nach § 404a ZPO erteilt, hat das Gericht von Amts wegen nach seinem Ermessen zu treffen

(z. B. OLG Schleswig, Beschluss vom 14. Dezember 2017, 16 W 152/17; OLG Frankfurt, Beschluss vom 29. August 2000 19, 8 W 29/19; beide zitiert nach Juris).

Zwar wird die Beschwerde einer Partei gegen die Zurückweisung ihres Gesuchs auf Erteilung von Weisungen bisweilen als statthaft erachtet, weil die Ablehnung der Anweisung zur Bauteilöffnung die Zurückweisung eines Gesuchs nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO darstell...

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