Leitsatz (amtlich)
Vorlage an den Bundesgerichtshof zur Entscheidung folgender Rechtsfrage: Entscheidet in Fällen, in denen die Rechtsbeschwerde zugelassen worden ist, weil das Urteil wegen Versagung rechtlichen Gehörs aufzuheben sein wird, der Bußgeldsenat auch über die Begründetheit der Rechtsbeschwerde in der Besetzung mit einem Richter?
Verfahrensgang
AG Halle-Saalkreis (Entscheidung vom 10.03.2003; Aktenzeichen 381 OWi 829 Js 35366/02) |
Tenor
Die Sache wird dem Bundesgerichtshof vorgelegt.
Gründe
Die Zentrale Bußgeldstelle im Technischen Polizeiamt des Landes Sachsen-Anhalt hat mit Bußgeldbescheid vom 29.04.2002 gegen den Betroffenen wegen zweier Verkehrsordnungswidrigkeiten zwei Geldbußen in Höhe von jeweils 40 Euro festgesetzt.
Den hiergegen gerichteten Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht Halle-Saalkreis mit Urteil vom 10.03.2003 gemäß § 74 Abs. 2 OWiG ohne Verhandlung zur Sache verworfen, weil der Betroffene - ohne von der Verpflichtung zum Erscheinen entbunden worden zu sein - in der Hauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung nicht erschienen sei. Das Fax vom 28.02.2003 (= Entbindungsantrag) sei nicht geeignet, das Ausbleiben des Betroffenen zu entschuldigen. Das Gericht habe den Betroffenen nicht von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden, da es seine Anwesenheit für erforderlich gehalten habe. Dies sei dem Verteidiger vorab telefonisch am 07.03.2003 mitgeteilt worden.
Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Rechtsbeschwerde, deren Zulassung er beantragt, rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts sowie die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör. Er macht geltend, seinem vor der Hauptverhandlung gestellten Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen sei vom Amtsgericht zu Unrecht nicht stattgegeben worden. Dadurch sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
Die Generalstaatsanwaltschaft in Naumburg beantragt, die Rechtsbeschwerde zuzulassen und das Urteil des Amtsgerichts Halle-Saalkreis aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Halle-Saalkreis zurück zu verweisen.
Der Senat hat die Rechtsbeschwerde zugelassen.
Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, weil es aus nachfolgenden Gründen geboten sein wird, das Urteil wegen Versagung rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 OWiG).
Die ordnungsgemäß ausgeführte Verfahrensrüge, das Amtsgericht habe unter Verkennung der Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG den Einspruch des Betroffenen zu Unrecht nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen und dadurch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, ist begründet.
Das Amtsgericht hat die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG verkannt. Nach dieser Vorschrift entbindet das Gericht den Betroffenen auf seinen Antrag von der Pflicht zum Erscheinen, wenn er sich zur Sache geäußert oder erklärt hat, er werde sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache äußern, und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist. Dabei ist zu beachten, dass im Gegensatz zur früheren Rechtslage die Entscheidung über den Entbindungsantrag nicht in das Ermessen des Gerichts gestellt ist (vgl. Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 73, Rdn. 5). Vielmehr ist das Gericht verpflichtet, dem Entbindungsantrag zu entsprechen, wenn die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vorliegen.
Das war hier der Fall. Der Betroffene, dem die Nichteinhaltung von Ruhe- und Lenkzeiten sowie die Nichtbefolgung einer vollziehbaren Auflage einer Ausnahmegenehmigung (Nichtkenntlichmachung überbreiter Ladung) zur Last lag, hatte in dem Entbindungsantrag eingeräumt, das im Bußgeldbescheid genannte Fahrzeug zum Tatzeitpunkt geführt zu haben, im Übrigen aber von seinem Schweigerecht Gebrauch machen zu wollen. Darüber hinaus war die Anwesenheit des Betroffenen zur Aufklärung des Sachverhalts auch nicht geboten. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit bei der hier gegebenen Sachlage der persönliche Eindruck vom Betroffenen zur Sachaufklärung hätte beitragen können. Somit hätte aber das Amtsgericht den Einspruch des Betroffenen nicht nach § 74 Abs. 2 OWiG wegen unentschuldigten Ausbleibens verwerfen dürfen.
Hierdurch ist der Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzt worden. Wenn sich nämlich - wie hier - der Betroffene zur Sache geäußert hat und sein Vorbringen nicht völlig unerheblich ist, verbietet es der Grundsatz des rechtlichen Gehörs, dieses Vorbringen auf Grund einer vom Gesetz nicht gedeckten Verfahrenweise unberücksichtigt zu lassen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 9.1.2001, 1 ObOWi 684/00 und Beschluss vom 20.3.2001, 1 ObOWi 107/01 jeweils recherchiert in JURIS; OLG Stuttgart, ZfS 2002, 253; OLG Frankfurt/Main, ZfS 2000, 226).
Nach Auffassung des Senats ist hier auch über die Begründetheit der Rechtsbeschwerde durch den Einzelrichter zu entscheiden (§ 80 a Abs. 2 OWiG).
Ob auch über die zugelassene Rechtsbeschwerde der Einzelrichter entscheidet, ist in Rechtsprechu...