Verfahrensgang
AG Naumburg (Entscheidung vom 09.10.1992; Aktenzeichen 3 AR 95/92) |
AG Osnabrück (Entscheidung vom 06.07.1992; Aktenzeichen 44 C 89/91) |
Tenor
Auf die Rechtshilfebeschwerde des Amtsgerichts Osnabrück wird die Entscheidung des Amtsgerichts Naumburg vom 9. Oktober 1992 über die Ablehnung des Rechtshilfeersuchens des Amtsgerichts Osnabrück vom 6. Juli 1992 aufgehoben.
Das Amtsgericht Naumburg hat dem Rechtshilfeersuchen Folge zu leisten.
Tatbestand
A.
Der Kläger nimmt, den Beklagten vor dem Amtsgericht Osnabrück auf Feststellung der nichtehelichen Vaterschaft und auf Zahlung des Regelunterhaltes in Anspruch. Mit Beschluß vom 26. September 1991 hat das Amtsgericht Osnabrück die Einholung eines HLA-Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. … aus … angeordnet. Am 14. Januar 1992 teilte der Sachverständige dem Gericht unter Hinweis auf ein Schreiben des Gesundheitsamtes der Stadt Osnabrück vom 9. Januar 1992 mit, daß der Beklagte unter seiner bisherigen Anschrift in … nicht zur Blutentnahme habe geladen werden können, weil er dort nicht mehr wohnhaft sei. Nachdem der Vertreter des Klägers das Amtsgericht Osnabrück davon in Kenntnis gesetzt hatte, daß der Beklagte sich überwiegend in Naumburg aufhalte, hat das Gericht die Durchführung der Blutuntersuchung für das HLA-System, soweit sie den Beklagten betrifft, durch Beschluß vom 6. Juli 1992 dem damaligen Kreisgericht Naumburg übertragen, das auch etwa notwendige Zwangsmaßnahmen nach § 372 a Abs. 2 ZPO treffen sollte.
Das Amtsgericht Naumburg hat die Rechtshilfe am 9. Oktober 1992 als unzulässig abgelehnt.
Daraufhin hat das Amtsgericht Osnabrück die Sache am 28. Oktober 1992 gemäß § 159 GVG dem Oberlandesgericht Naumburg vorgelegt.
Entscheidungsgründe
B.
Die gemäß § 159 GVG zulässige Rechtshilfebeschwerde des Amtsgerichts Osnabrück ist begründet.
Das Amtsgericht Naumburg durfte das Rechtshilfeersuchen vom 6. Juli 1992 nicht ablehnen, weil die vorzunehmende Handlung nicht nach dem Recht des ersuchten Gerichtes verboten ist (§ 158 Abs. 2 Satz 1 GVG).
Ein Rechtshilfeersuchen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, um das es sich hier handelt (§ 156 GVG), darf nach § 158 Abs. 1 GVG grundsätzlich nicht abgelehnt werden. Nur wenn das Rechtshilfeersuchen nicht von einem im Rechtszuge vorgesetzten Gericht stammt und die vorzunehmende Handlung nach dem Recht des ersuchten Gerichtes verboten ist, darf das ersuchte Gericht die erbetene Rechtshilfe verweigern (§ 158 Abs. 2 Satz 1 GVG). Diese Vorschrift ist als Ausnahmebestimmung zu § 158 Abs. 1 GVG eng auszulegen (Zöller-Gummer, ZPO, 17. Auflage, § 158 GVG Rn. 3) und deshalb dahingehend zu verstehen, daß die vorzunehmende Handlung schlechthin unzulässig sein muß (RGZ 162, 316, 317; BGH JZ 1953, 230; Kissel, GVG, § 158 Rn. 10 m. w. Nachw.). Dies ist hier nicht der Fall. Gemäß § 372 Abs. 2 ZPO konnte die
Untersuchung des Beklagten durch Blutentnahme (§ 372 a Abs. 1 ZPO) vom Amtsgericht Osnabrück einem anderen Gericht übertragen werden. Bei der Untersuchung durch Blutentnahme nach § 372 a Abs. 1 ZPO handelt es sich nämlich, wie aus der systematischen Stellung der Vorschrift im 6. Titel des 1. Abschnittes des 2. Buches der ZPO folgt, um eine Augenscheinseinnahme. Entgegen der Ansicht von Peters (NJW 1991, 2947 f.), auf welche sich das Amtsgericht Naumburg zur Begründung der Ablehnung des Rechtshilfeersuchens gestützt hat, ist es dabei unerheblich, daß die Blutentnahme und die spätere Blutuntersuchung nicht durch den Richter selbst, sondern durch andere Personen erfolgen soll, denn die Augenscheinseinnahme i.S.d. §§ 371 ff. ZPO setzt begrifflich nicht voraus, daß sie vollständig allein durch den Richter ausgeführt wird. § 372 Abs. 1 läßt vielmehr ausdrücklich zu, daß das Gericht sich sachverständiger Hilfspersonen bedient. Auch in anderen Fällen, beispielsweise bei der körperlichen Untersuchung einer Frau, ist anerkannt, daß die Augenscheinseinnahme durch Hilfspersonen erfolgen darf (Thomas-Putzo, ZPO, 17. Auflage, § 372).
Die Entnahme der Blutprobe beim Beklagten ist gemäß § 372 Abs. 1 ZPO zulässig, denn sie dient zum Zwecke der Erstellung eines HLA-Gutachtens, das von dem hierfür zuständigen Prozeßgericht durch Beschluß vom 26. September 1991 angeordnet worden ist. Der Beschluß besagt zwar nicht ausdrücklich, daß der Beklagte in die Untersuchung einbezogen werden soll; dies versteht sich indessen von selbst, weil das HLA-Gutachten gerade der Ermittlung der streitigen Vaterschaft des Beklagten dient.
Auch die Übertragung der Anordnung von Zwangsmaßnahmen nach § 372 a Abs. 2 ZPO auf den ersuchten Richter ist zulässig (BGH NJW 1990, 2936, 2937).
Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Naumburg (§ 158 Abs. 2 Satz 2 GVG) für die Maßnahmen, die Gegenstand des Rechtshilfeersuchens sind, ist nicht zweifelhaft, da die Blutentnahme im Amtsgerichtsbezirk Naumburg stattfinden soll, wo sich der Beklagte auch überwiegend aufhält.
Unterschriften
gez. Pokrant, gez. Dr. Smid, gez. Braun
Fundstellen