Leitsatz (amtlich)
Zur Abgrenzung des selbstständigen Handelsvertreters vom Arbeitnehmer.
Verfahrensgang
LG Dessau (Beschluss vom 29.12.2003; Aktenzeichen 5 O 99/03) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des LG Dessau vom 29.12.2003 abgeändert:
Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten wird für unzulässig erklärt. Der Rechtsstreit wird an das Arbeitsgericht Dessau verwiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.206,67 Euro festgesetzt.
Gründe
A. Die Beklagte war für die Klägerin als Handelsvertreterin ("Vermögensberaterin im Hauptberuf in der Stufe Agenturleiterin") tätig und wird nach Kündigung des Vertrages auf Schadenersatz in Anspruch genommen, weil sie in dem Glauben, den Vertrag zum 31.12.2002 beendet zu haben und nicht erst zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin (30.9.2003) im Jahre 2003 keine Tätigkeit mehr für die Klägerin entfaltet hat.
Die Parteien streiten darum, ob für derartige Ansprüche der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten oder zu den Arbeitsgerichten eröffnet ist.
Die Klägerin hat unter Berufung auf eine Entscheidungsserie des Bundesarbeitsgerichts vom 15.12.1999 die Auffassung vertreten, die Beklagte sei als selbständige Handelsvertreterin i.S.v. § 84 Abs. 1 HGB anzusehen, so dass der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet sei und die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte auch nicht ausnahmsweise gem. § 5 Abs. 3 ArbGG i.V.m. § 92a HGB gegeben sei.
Sie hat zur Begründung darauf hingewiesen, dass die Beklagte unstreitig in einer Eingangs- und Ausbildungsphase zunächst einem Vermögensberater zugewiesen war, dann als Vermögensberaterassistentin im Nebenberuf tätig war und schließlich als "Handelsvertreter im Hauptberuf in der Stufe eines Agenturleiters" beschäftigt war. Sie hat weiter darauf verwiesen, dass die Beklagte unstreitig nicht in einem Büro der Klägerin tätig war, sondern in einem Büro des Handelsvertreters K., der wie die Beklagte zur Vertriebsstruktur der Klägerin gehört und der Beklagten ggü. Betreuungsaufgaben wahrzunehmen hatte, sie insb. bei ihrer eigenen Vermittlungstätigkeit zu unterstützen und ihr bürotechnische Dienstleistungen einschließlich einer Onlineanbindung an den Zentralrechner der Beklagten zur Verfügung zu stellen hatte.
Die Klägerin hat weiter behauptet, eine Anwesenheitspflicht habe es nicht gegeben: Wie die Beklagte die bürotechnischen Arbeiten zeitlich organisierte, sei allein ihre Sache gewesen, wobei allerdings gewisse sachliche Zwänge zu berücksichtigen gewesen seien, wie etwa der Umstand, dass Beratungsgespräche üblicherweise erst nach dem üblichen Feierabend der Interessenten und Kunden stattfinden konnten.
Ferner sei der bereits erwähnte Handelsvertreter K. auch nicht ggü. der Beklagten weisungsbefugt gewesen. Vielmehr sei er selbst Handelsvertreter der Klägerin gewesen, wenn auch auf einer höheren Provisionsstufe.
Sei damit davon auszugehen, dass die Beklagte selbständig i.S.d. § 84 Abs. 1 HGB gewesen sei, dann ergebe sich die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte auch nicht aus § 5 Abs. 3 ArbGG i.V.m. § 92a Abs. 1 HGB. Die Beklagte sei keine Einfirmenvertreterin i.S.v. § 92a Abs. 1 HGB gewesen. Insbesondere ergebe sich dies nicht daraus, das die Beklagte nach dem Vertrag unstreitig "für die Ausübung einer anderweitigen Beratungs-, Vermittlungs- oder Verkaufstätigkeit ... der vorherigen schriftlichen Einwilligung durch die Gesellschaft" bedurfte. Diese Klausel wiederhole lediglich die aus § 86 HGB folgenden gesetzlichen Gebote. Darüber hinaus sei auch die zweite Voraussetzung des § 5 Abs. 3 ArbGG nicht dargelegt. Bei der Bewertung der dort genannten Einkommensgrenzen sei nämlich zu berücksichtigen, dass die Beklagte ihre Tätigkeit vor Ablauf des rechtlichen Bestandes des Vertragsverhältnisses eingestellt habe, so dass entgegen dem Wortlaut der genannten Vorschrift auf die letzten sechs Monate abzustellen sei, in denen das Vertragsverhältnis von der Beklagten noch störungsfrei erfüllt wurde. Im Übrigen seien die von der Beklagten vorgelegten Provisionsabrechnungen offenbar bewusst unvollständig.
Die Beklagte hat gemeint, die Arbeitsgerichte seien zuständig, weil sie Arbeitnehmerin sei. Dies ergebe sich aus der hierarchischen Vertriebsstruktur bei der Klägerin sowie daraus, dass sie unstreitig nicht von zu Hause aus gearbeitet hat. Sie sei auch nicht frei im Einsatz ihrer Arbeitskraft gewesen, weil sie allein die von der Klägerin angebotenen Produkte habe vertreiben dürfen und sie ihre Einnahmen durch direkt von ihr vermittelte Geschäfte erhalten habe.
Jedenfalls sei aber aufgrund von § 5 Abs. 3 ArbGG i.V.m. § 92a HGB der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet.
Die Vertragsklausel, nach der ihr eine anderweitige Vertretertätigkeit nur mit Genehmigung der Klägerin erlaubt sei, führe dazu, dass ihr eine solche anderweitige Tätigkeit derzeit untersagt sei, so dass sie als Einfirmenvertreterin anzusehen sei.
Auch die zweite Voraussetzun...