Leitsatz (amtlich)
Erstattungsfähige Prozesskosten sind auch die Übernachtungskosten eines Rechtsanwalts, wenn es diesem nicht zuzumuten ist, am Terminstag anzureisen. Ihm kann nicht abverlangt werden, die notwendige Anreise zum Terminsort zur Nachtzeit anzutreten. Als Nachtzeit ist in Anlehnung an § 758a Abs. 4 ZPO die Zeit von 21.00 Uhr bis 6.00 Uhr anzusehen.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Beschluss vom 12.01.2016; Aktenzeichen 3 O 242/06) |
Tenor
Unter Zurückweisung der sofortigen Beschwerde der Streithelferin im Übrigen wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Halle vom 12.1.2016 - 3 O 242/06 - teilweise abgeändert:
Aufgrund des vorläufig vollstreckbaren Urteils des LG Halle vom 4.3.2015 werden weitere von der Klägerin an die Streithelferin zu erstattende Kosten in Höhe von 337,36 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 24.3.2015 festgesetzt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Klägerin zu 35 % und die Streithelferin zu 65 %.
Der Beschwerdewert wird auf 974,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Gemäß Urteil des LG Halle vom 4.3.2015 sind der Klägerin die Kosten der Streithilfe in erster Instanz auferlegt. Nur über diese Kosten, deren Festsetzung mit Schriftsatz vom 23.3.2015 beantragt worden war, ist der angegriffene Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Halle vom 12.1.2016 ergangen, korrigiert durch den Beschluss vom 3.3.2016, mit welchem die geltend gemachten Kosten nur teilweise zur Erstattung festgesetzt wurden. Hiergegen hat die Streithelferin mit Schriftsatz vom 17.3.2016 sofortige Beschwerde eingelegt.
II. Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 104 Abs. 3, 567 ff. ZPO zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt. Zur Entscheidung ist gemäß § 568 ZPO der Einzelrichter berufen.
Die sofortige Beschwerde ist auch teilweise begründet.
Hinsichtlich der Übernachtungskosten, geltend gemacht in Höhe von 405,00 EUR und berücksichtigt durch das LG in Höhe von nur 60,00 EUR, hat die sofortige Beschwerde teilweise Erfolg. Die Hotelübernachtungen im Zusammenhang mit den Terminen am 6.5.2010, am 7.10.2010 und am 14.7.2011 waren für den Prozessbevollmächtigten der Streithelferin notwendig, er war nicht gehalten, zur Wahrnehmung der Gerichtstermine jeweils noch am selben Morgen von seiner Kanzlei in A. nach Halle anzureisen. Einer Partei bzw. einem Streithelfer kann nicht abverlangt werden, die in einer Rechtssache notwendig werdenden Reisen zur Nachtzeit durchzuführen. Als Nachtzeit ist in Anlehnung an § 758a Abs. 4 ZPO die Zeit von 21.00 Uhr bis 6.00 Uhr anzusehen (z.B. OLG Hamburg, AGS 2011, 463; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2003, 1654). Eine Anreise, bei welcher der Prozessbevollmächtigte der Streithelferin seine Wohnung vor 6.00 Uhr morgens hätte verlassen müssen, musste dieser also nicht durchführen. Dies wäre aber erforderlich gewesen, wenn er zum Terminsbeginn um 10.00 Uhr (am 6.5.2010 bzw. am 14.7.2011) oder gar um 9.00 EUR am 7.10.2010 im Gerichtsgebäude in Halle hätte anwesend sein wollen. Für den Termin am 7.10.2010 steht außer Frage, dass die Nacht davor in Halle übernachtet werden durfte (Kosten 60,00 EUR). Dies gilt aber auch für die beiden Termine am 6.5.2010 (Kosten 47,66 EUR) und am 14.7.2010 (Kosten 44,00 EUR), die jeweils für 10.00 Uhr anberaumt waren. Zwar ist ausweislich des Google-Routenplaners derzeit mit einer reinen Fahrtzeit von drei Stunden und sechs Minuten zu rechnen. Um allerdings, worauf die in der Sache erkennenden Gerichte durchaus Wert legen, möglichst rechtzeitig zu der Verhandlung zu erscheinen, ist ein Rechtsanwalt darauf verwiesen, einen ausreichenden zeitlichen Puffer bei der Reisezeit wegen unvorhergesehener Verzögerungen wie Staus u..ä. vorzusehen. Hinzu kommt die Zeit einer angemessenen Fahrpause, dies auch eingedenk des Umstandes, dass der Prozessbevollmächtigte zum Zeitpunkt jener Termine schon weit älter als 70 Jahre war. Im vorliegenden Fall entscheidend ist aber, dass die heutigen Straßenverhältnisse einer gut ausgebauten Bundesautobahn 9 nicht zugrunde gelegt werden können, auf der der Prozessbevollmächtigte in erster Linie zu fahren hatte. Bis zur Vervollständigung des sechsspurigen Ausbaus der BAB 9 in Thüringen und Sachsen-Anhalt, der erst im November 2014 abgeschlossen war, war regelmäßig mit Verzögerungen und Geschwindigkeitsreduzierungen wegen Baustellen und hohem Verkehrsaufkommen zu rechnen, etwa an der Engstelle zwischen Schleiz und Triptis. Angesichts dessen ist davon auszugehen, dass ein Rechtsanwalt aus A. seine Reise für einen Termin um 10.00 Uhr vorsorglich vor 6.00 Uhr beginnen müsste. Insofern sind zusätzlich 91,66 EUR durch die Klägerin zu erstatten. Für die weiteren Termine am 24.5.2007 (Beginn 14.45 Uhr), 26.3.2009 (Beginn 10.30 Uhr), 7.10.2009 (Beginn 11.00 Uhr) und 28.1.2015 (Beginn 13.00 Uhr) gilt dies allerdings nicht. Hier standen zumindest 4,5 Stunden ab 6.00 Uhr für eine ausreichend rechtzeitige Anreise nach Halle zur Verfügung. Eine Fahrstrecke von insgesamt 670 km an einem Tag, unterbrochen dur...