Leitsatz (amtlich)
Zu den Anforderungen, die an die Büroorganisation eines Prozessbevollmächtigten zu stellen sind, um die Einhaltung von Notfristen sicher zu stellen.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 10.03.2004; Aktenzeichen 3 O 411/02) |
Tenor
Der Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.
Die Berufung des Beklagten gegen das am 10.3.2004 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer - Einzelrichter - des LG Halle wird als unzulässig verworfen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsrechtszugs.
Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 7.077,36 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Beklagte hat gegen das ihm am 26.3.2004 zugestellte Urteil des LG Halle mit am 26.4.2004 bei dem OLG eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Mit am 26.5.2004 bei dem OLG eingegangenem Schriftsatz hat der Beklagte beantragt, die Berufungsbegründungsfrist um drei Wochen bis zum 14.6.2004 zu verlängern. Der Vorsitzende des beschließenden Senats hat die Berufungsbegründungsfrist bis zum 9.6.2004 verlängert. Diese Verfügung wurde dem Beklagten ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 3.6.2004 zugestellt. Nach Ablauf der verlängerten Berufungsbegründungsfrist hat der Beklagte seine Berufung mit am 15.6.2004 eingegangenem Schriftsatz begründet.
Nach Hinweis des Vorsitzenden vom 16.6.2004, dass die Berufungsbegründungsfrist versäumt worden sei, beantragt der Beklagte mit am 18.6.2004 vollständig eingegangenem Schriftsatz die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Begründungsfrist. Sein Prozessbevollmächtigter führt zur Begründung aus, aufgrund eines Büroversehens sei im Fristenkalender der Kanzlei fehlerhaft nicht Mittwoch, 9.6., sondern Mittwoch, 16.6.2004, als Termin des Ablaufs der Frist zur Einreichung der Berufungsbegründungsschrift eingetragen worden. Die Verlängerungsverfügung des OLG sei ihm vorgelegt worden. Er habe die Büroangestellte B.Sch. angewiesen, die vom OLG gewährte Frist in den Fristenkalender einzutragen. Irrtümlich habe diese die Frist jedoch nicht auf Mittwoch, den 9.6.2004, sondern auf eine Woche später eingetragen. Die Büroangestellte habe angegeben, vermutlich beim Umblättern der Seiten des Fristenkalenders sich versehen zu haben, so dass der Termin irrtümlich falsch eingetragen worden sei. Die Handakte sei ihm am Morgen des 15.6.2004 vorgelegt worden. Er habe die Berufungsbegründungsschrift gefertigt, die dem OLG am selben Tage per Telefax übermittelt worden sei. Die Überwachung von Notfristen sei bei ihm so organisiert, dass durch den zuständigen Rechtsanwalt die schriftliche Anweisung erfolge, welche Termine als Notfristen im Fristenkalender zu notieren seien. Bei gerichtlichen Schreiben über die Verlängerung von Notfristen werde dies ebenfalls so gehandhabt und der entsprechende Termin auf dem Schreiben notiert und graphisch hervorgehoben. Die Büroangestellte sei angewiesen, ihm spätestens am Morgen des Vortrags vor Fristablauf die Akte mit dem ausdrücklichen Hinweis auf den Ablauf der jeweiligen Frist vorzulegen. Frau Sch. sei eine erfahrene Mitarbeiterin, die bereits seit 1987 als Anwaltssekretärin tätig sei.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist zulässig, er ist insb. rechtzeitig innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses gestellt worden, § 234 ZPO. Sachlich ist der Antrag jedoch nicht begründet. Der Beklagte war nicht ohne sein Verschulden gehindert, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten, § 233 ZPO. Denn die Fristversäumnis beruht auf einem Organisationsverschulden seines Prozessbevollmächtigten, das sich der Beklagte gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
Dem Beklagten ist zuzugeben, dass Versehen der Mitarbeiter des bevollmächtigten Rechtsanwalts der Partei selbst nicht gem. § 85 ZPO zur Last fallen, wenn eigenes Verschulden dieses bevollmächtigten Rechtsanwalts ausscheidet; es scheidet dann aus, wenn er seinen Weisungs- und Überwachungspflichten nachgekommen ist (Zöller/Greger, ZPO, § 233 Rz. 23 "Juristische Hilfskräfte", "Fristenbehandlung" m.w.N.). Hier aber scheitert die Wiedereinsetzung bereits daran, dass eigenes Verschulden des Prozessbevollmächtigten vorliegt. Der beschließende Senat geht davon aus, dass die Fristversäumung auf einem eigenen Verschulden des Prozessbevollmächtigten beruht, das sich der Beklagte gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. Mithin war dieser entgegen § 233 ZPO nicht ohne Verschulden gehindert, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten.
Vorliegend ist unter Berücksichtigung der Gesamtumstände davon auszugehen, dass die Büroorganisation des Prozessbevollmächtigten des Beklagten nicht geeignet ist, die Einhaltung von Notfristen sicherzustellen. Ein Organisationsverschulden ist deshalb anzunehmen, weil selbst mit der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung und dem Antragsvorbringen nicht dargetan ist, dass die Kanzleiorganisation des Prozessbevollmächtigten des Beklagten den Anforderungen an eine gesiche...