Verfahrensgang
AG Stendal (Entscheidung vom 08.07.2019; Aktenzeichen 22 OWi 590 Js 6163/19) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Stendal vom 8. Juli 2019 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Gegen den Betroffenen ist mit Bußgeldbescheid vom 4. Februar 2019 eine Geldbuße von 160,00 € sowie ein Fahrverbot von einem Monat verhängt worden. Dagegen hat der Betroffene rechtzeitig Einspruch eingelegt. Diesen hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Urteil vom 8. Juli 2019 verworfen, weil der Betroffene trotz fehlender Entbindung vom persönlichen Erscheinen der Hauptverhandlung ohne Entschuldigung ferngeblieben sei.
Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Mit seiner Verfahrensrüge beanstandet er, das Amtsgericht habe seinen per Fax-Schreiben am 5. Juli 2019 bei Gericht eingegangenen Antrag, ihn vom persönlichen Erscheinen zu entpflichten, bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen.
Die nach § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässig erhobene Rechtsbeschwerde führt aufgrund der gemäß § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG i. V. m. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO ordnungsgemäß ausgeführten Verfahrensrüge einer Verletzung von § 74 Abs. 2 OWiG zur Urteilsaufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
Das Amtsgericht wäre verpflichtet gewesen, über den per Fax-Schreiben zuvor eingegangenen Entbindungsantrag zu entscheiden. Da dies fehlerhaft unterblieben ist, bestand für eine Einspruchsverwerfung nach § 74 Abs. 2 OWiG eine Sperrwirkung. Darauf, ob das Faxschreiben der zuständigen Richterin vor ihrer Entscheidung vorgelegt worden ist oder nicht, kommt es hingegen nicht an (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 25. August 2015, 2 Ws 163/15; OLG Bamberg, Beschluss vom 23. Mai 2017, 3 Ss OWiG 654/17 Rn. 5, 6; BayObLG, Beschluss vom 15. April 2019, 202 ObOWi 400/19, Rn. 4 -7; zitiert nach juris).
Der den Verfahrensmangel begründende Umstand - hier der rechtszeitige Eingang des Fax-Schreibens vor der Verwerfungsentscheidung -, muss nicht bloß glaubhaft gemacht, sondern erwiesen sein, wobei verbleibende Zweifel zu Lasten des Betroffenen gehen. Für den Eingang eines Fax-Schreibens ist eine erfolgreiche Übermittlung der Signale auf dem Empfängergerät erforderlich. Deshalb ist der vom Verteidiger vorgelegte "OK-Vermerk", der lediglich das ordnungsgemäße Zustandekommen der Verbindung, nicht aber die Übermittlung der anschließenden Fax-Signale belegt, für die Annahme eines Eingangs des Fax-Schreibens für sich genommen noch nicht ausreichend. Es ist jedoch in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. Meyer-Goßner, Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 337, Rn. 12 m. w. N.), dass ein vollständiger Nachweis des gerügten Verfahrensverstoßes dann nicht zu fordern ist, wenn die entstandenen Beweisschwierigkeiten aus der Sphäre der Justizbehörden stammen und auf deren schuldhaften Verhalten beruhen. So verhält es sich hier. Denn das Amtsgericht hat es zu der hier fraglichen Zeit verabsäumt, ein Fax-Eingangsjournal, welches näheres zum Eingang des Fax-Schreibens hätte belegen können, zu führen bzw. die entsprechenden Journale aufzubewahren. Hinzukommt, dass auch nach den eingeholten Auskünften der zuständigen Geschäftsstellenmitarbeiterin nicht auszuschließen ist, dass das Fax-Schreiben, so wie vom Verteidiger vorgetragen, beim Amtsgericht einging.
Fundstellen
Haufe-Index 14148751 |
ZAP 2020, 744 |
ZfS 2021, 112 |
VRR 2020, 2 |