Leitsatz (amtlich)

1. Ein Antrag auf Anordnung weiterer vorläufiger Maßnahmen i.S.v. § 115 Abs. 3 Satz 1 GWB ist auch im Beschwerdeverfahren statthaft.

2. Eine Anordnung nach § 115 Abs. 3 GWB (analog) durch den Vergabesenat kann auch vorläufig bis zur endgültigen Entscheidung über den Eilantrag ergehen.

3. Zur Anordnung einer Verlängerung der Angebotsfrist in einem Offenen Verfahren nach VOB/A.

 

Verfahrensgang

2. Vergabekammer (Aktenzeichen 2 VK LVwA 26/06)

 

Tenor

Die Antragsgegnerin wird im Wege einer vorläufigen Anordnung angewiesen, den Schlusstermin für den Eingang der Angebote im Vergabeverfahren zunächst mindestens bis zum 28.8.2006, 10:00 Uhr, zu verlängern und dem Senat bis zum 10.8.2006, 16:00 Uhr, eine Faxkopie der Benachrichtigung der Antragstellerin hierüber zu übersenden.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin, eine Beteiligungsgesellschaft privaten Rechts zur Planung, Bauvorbereitung und Baudurchführung für die Bundesfernstraßenprojekte Deutsche Einheit, deren Gesellschafter zu 50 % der Bund und zu je 10 % die Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind, schrieb im März 2005 den oben genannten Bauauftrag EU-weit im Offenen Verfahren auf der Grundlage der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) - Ausgabe 2002 - zur Vergabe aus. Der geschätzte Auftragswert netto liegt etwa bei 26 Mio. EUR.

Im März 2006 hob die Antragsgegnerin diese ursprüngliche Ausschreibung im Hinblick auf behauptete notwendige grundlegende Änderungen der Verdingungsunterlagen auf. Zwei Bieterinnen des ursprünglichen Vergabeverfahrens, darunter die Antragstellerin, rügten die Aufhebung als vergaberechtswidrig. Die Antragsgegnerin half den Rügen nicht ab. Auf die gleichgerichteten Nachprüfungsanträge der beiden Bieterinnen gab die 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 23.5.2006 auf, die Aufhebung rückgängig zu machen und das (ursprüngliche) Vergabeverfahren unter Berücksichtigung der Rechtsansichten der Vergabekammer fortzuführen. Hiergegen hat die Antragsgegnerin am 12.6.2006 sofortige Beschwerde erhoben. Das Beschwerdeverfahren ist beim erkennenden Vergabesenat anhängig. Insoweit ist für den 4.9.2006 Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt worden.

Am 3.7.2006 sandte die Antragsgegnerin die Bekanntmachung der Vergabe eines Bauauftrags mit identischer Bezeichnung im Offenen Verfahren an das Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften; die Bekanntmachung wurde im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 13.7.2006 (S-131) veröffentlicht. Die Angebotsfrist für diese Ausschreibung (künftig: zweites Vergabeverfahren) endet am 11.8.2006, 10:00 Uhr.

Die Antragstellerin rügte die zweite Ausschreibung am 10.7.2006 als vergaberechtswidrig und beantragte nach der ausdrücklichen Weigerung der Antragsgegnerin, dieses neue Vergabeverfahren bis zur Entscheidung über die Fortführung oder Aufhebung des ersten Vergabeverfahrens auszusetzen, am 17.7.2006 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bei der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt. Gleichzeitig stellte sie einen Antrag nach § 115 Abs. 3 Satz 1 GWB mit dem Begehren, der Antragsgegnerin möge vorläufig untersagt werden, das zweite Vergabeverfahren fortzuführen.

Die Vergabekammer hat den Aussetzungsantrag abgelehnt und mit Beschluss vom 2.8.2006 auch den Nachprüfungsantrag in der Hauptsache als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt. Sie hat die Anordnung der Verlängerung des Zuschlagverbots beantragt und zugleich einen Antrag nach § 115 Abs. 3 GWB analog mit dem Begehren gestellt, dass der Antragsgegnerin bis zur Entscheidung in der Hauptsache im Beschwerdeverfahren vorläufig zu untersagen, die Submission durchzuführen.

Die Beschwerdeschrift der Antragstellerin vom 8.8.2006 ist am selben Tage vorab per Fax beim OLG Naumburg eingegangen. Der Antragsgegnerin ist mit Verfügung vom 9.8.2006 Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Antrag nach § 118 Abs. 1 GWB bis zum 14.8.2006, 12:00 Uhr, eingeräumt und zugleich die Beiziehung der Akten der Vergabestelle und der Vergabekammer angeordnet worden. Die Akten liegen dem Senat derzeit noch nicht vor.

II. Der Antrag auf Anordnung weiterer vorläufiger Maßnahmen nach § 115 Abs. 3 Satz 1 GWB (analog) ist zulässig und insb. auch im Beschwerdeverfahren statthaft (vgl. Beschl. des erkennenden OLG Naumburg v. 31.7.2006 - Gesch.Nr.: 1 Verg 6/06). Er kann derzeit aber noch nicht abschließend beschieden werden. Denn hierzu sind neben den Erfolgsaussichten der sofortigen Beschwerde auch alle ggf. geschädigten Interessen, also insb. das Interesse der Antragstellerin an Gewährung von effektivem Primärrechtsschutz und das Interesse der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens, gegeneinander abzuwägen. Der Senat hat aber objektiv keine Möglichkeit einer Prüfung der Erfolgsaussicht der sofortigen Beschwerde bis zum Ab...

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